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Volkswagenbau an Elbe und Teck - Aus dem Leben des sudetendeutschen Automobilpioniers und Politikers Willibald Gatter (1896–1973)

Peer Gatter

(veröffentlicht unter obengenannten Titel in der "Schriftenreihe Stadtarchiv Kirchheim unter Teck", Band 32 (2008), S. 127-170, GO Druck Media Verlag, Kirchheim unter Teck, ISBN 978-3-925589-44-7)

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Im Dezember 2006 berichtete der Teckbote über die Ehrung des Kirchheimer Automobilpioniers und Porsche-Weggefährten Willibald Gatter (1). Sechzig Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wurde er in Tschechien zum Erfinder des Lidového Auta, dem Vater des wahren „Volkswagens“ proklamiert. Gatters Kleinwagen aus dem „Autowerk Reichstadt“ in Nordböhmen, das „Auto zum Motorrad-Preis“, galt mit Anschaffungskosten von gerade einmal 1 000 Reichsmark als billigstes Automobil im Europa der dreißiger Jahre. Die Geschichte der Gatter-Autos ist gleichzeitig die eines Erfinders und Unternehmers, dessen Leben stark durch die politischen Wirren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts geprägt war, insbesondere durch die Zerschlagung Österreich-Ungarns und die Weltwirtschaftskrise, letztendlich aber auch durch den Verlust der böhmischen Heimat. Von 1945 bis zu seinem Tod im Jahr 1973 lebte Gatter in Kirchheim unter Teck. Ein Neuanfang im Automobilbau endete nach dem Krieg mit dem Prototyp des "Gatter Mini". Zur Serienproduktion kam es nicht, denn mit dem anbrechenden deutschen Wirtschaftswunder schwand das Interesse für Klein- und Kleinstwagen.

Willibald Gatter wurde am 12. Dezember 1896 in Hühnerwasser (heute Kurívody) in Nordböhmen als ältestes von acht Kindern des Maschinenbauers Josef Gatter (1854-1929) und seiner Frau Marie Eiselt (1870-1941) geboren. Sein Großvater, Franz Seraphicus Gatter (1828-1909), hatte ab 1853 in der alten Handelsstadt Hühnerwasser einen mechanischen Betrieb aufgebaut, in dem neben hydraulischen Widdern auch Pumpen und Feuerspritzen hergestellt wurden.

Willibald Gatters Vater Josef übernahm nach seinem Studium an der Maschinenbauschule im sächsischen Chemnitz den elterlichen Betrieb und baute ihm zum größten Hersteller von Dampfmaschinen, Dampframmen, Werkzeugmaschinen, Schaufelrädern und Wasserkraftwerken im Bezirk Böhmisch Leipa aus. Auf Industriemessen erhielt das Unternehmen mehrfach hohe Auszeichnungen, so 1884 in München, 1886 in London, 1887 in Paris und 1889 in Wittenberg. Im Jahr 1889 wurde Josef Gatter auch zum Honorardozenten am Polytechnikum in Prag berufen.

Um die Jahrhundertwende erwarb die Familie mit der "Alten Posthalterei" ein repräsentatives Anwesen am Marktplatz in Hühnerwasser - neben dem Berka'schen Schloss und der Kirche war es das älteste urkundlich erwähnte Gebäude der Stadt (1692). Einst gehörte es zur Thurn und Taxis'schen Postverwaltung und fungierte als Pferde-Umspann- und Poststation an der alten Handelsstraße von Zittau nach Prag (2).

Willibald Gatter, dessen technisches Interesse bereits im Elternhaus geweckt und gefördert wurde, studierte nach dem Besuch der Bürgerschule in Niemes (Mimon) an der k. u. k. Staatsgewerbeschule in Reichenberg Mechanik und Technologie. Obgleich ab 1914 der Erste Weltkrieg wütete, wurde der begabte Student nicht zur Armee einberufen, sondern im Juni 1915 als Konstrukteur den Škoda-Werken zugeteilt. Der Stahlkonzern hatte sich seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts immer mehr auf die Rüstungsproduktion spezialisiert und stieg schnell zur größten Waffenschmiede der Habsburgermonarchie auf. Das Unternehmen produzierte vor allem schwere Mörser, aber auch Bordkanonen für die k. u. k. Marine. In den Jahren 1914 bis 1918 lieferte Škoda mit seinen rund 32.000 Angestellten (1917) 12.693 Kanonen an die österreichisch-ungarische Armee (3).

Gatter arbeitete hier an der Weiterentwicklung der Škoda 42 cm-Küstenhaubitze. Diese schweren Geschütze waren zunächst zum Schutz der Kriegshäfen an der Adria eingesetzt worden, doch da das k. u. k. Oberkommando die Gefahr von See als gering einschätzte, sollten die Mörser mobil oder zumindest transportabel gemacht werden. Dies war eine gewaltige Aufgabe, denn die Rohre und Lafetten waren in splittersicheren Stahltürmen untergebracht und zur Montage und dem Beladen der Geschütze war ein großer, verschiebbarer Portalkran sowie Schienen für dessen Bewegungsablauf notwendig. Das Gewicht eines Mörsers betrug stolze 112 Tonnen und eine Granate allein wog bis zu einer Tonne. Bei den schlechten Straßenverhältnissen in den Randgebieten der Monarchie stellte dies die Škoda-Ingenieure vor eine fast unlösbare Aufgabe. Im Sommer des Jahres 1915 kam der erste transportable M.14-Mörser an der russischen Front zum Einsatz, doch erwies sich das Geschütz als nach wie vor zu schwer. So entstand 1916 unter Mitarbeit Willibald Gatters eine geringfügig leichtere Version, die 42 cm-Autohaubitze. Dieses Geschütz war mit seinen verkleinerten Lafetten erstaunlich mobil und konnte, in vier Teile zerlegt, von je einem schweren Generatorwagen gezogen, auch bei regional begrenzten Stellungswechseln ohne Bahntransport eingesetzt werden. Allerdings war dies immer noch ein wahrer Kraftakt - eine Geschützbatterie bestand aus acht Offizieren, 210 Soldaten, fünf Pferden, vier Karren, 28 Lastwagen und Anhängern sowie vier Generatorwagen (4).

 

Den Auftrag zum Bau der Transportfahrzeuge hatte das Škoda Schwesterwerk Austro-Daimler in Wiener Neustadt erhalten (Fusion 1913). Zusammen mit Ferdinand Porsche, dem seit 1906 die technische Leitung des Unternehmens oblag, entwickelte Willibald Gatter als Detailkonstrukteur die Zugfahrzeuge M.16 und M.17 sowie C-Züge für schwere Artillerie mit benzin-elektrischem Antrieb. Jedes Rad der Generatorwagen und der Anhänger war mit einem Radnaben-Elektromotor ausgestattet, der über ein Aggregat mit Strom versorgt wurde. Durch Abnahme der Straßenbereifung konnte dieser Geschützzug auch auf Eisenbahnschienen gesetzt werden und sich mit eigener Kraft über Distanzen von bis zu 50 Kilometern bewegen. Die Geschütze und Transportwagen erprobte Gatter für Škoda in den Jahren 1916 und 1917 im Gefechtseinsatz an der italienischen Front und auf dem k. u. k. Artillerie-Schießplatz in Hajmáskér (Komitat Wesprim). In dem ungarischen Städtchen, gelegen zwischen Plattensee und Bakony-Gebirge, war um die Jahrhundertwende der größte Schießplatz der k. u. k. Monarchie entstanden, der für 250 Offiziere, 2200 Mannschaften und 1120 Pferde ausgelegt war (5).

Mit Kriegseintritt der USA und der Verkündung der 14 Punkte von US-Präsident Woodrow Wilson für eine gerechte europäische Nachkriegsordnung, meldete sich Willibald Gatter im März 1918 zum Kriegsdienst als einjähriger Freiwilliger. Das Programm Wilsons betraf die Habsburgermonarchie massiv. Grenzberichtigungen gegenüber Italien, Räumung der Balkanstaaten, und die autonome Entwicklung der Völker Österreich-Ungarns - so auch der Tschechen und Slowaken - waren darin vorgesehen. Da Gatter sich bewusst war, dass der Preis für eine unabhängige Tschechoslowakei ein Verlust des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen Böhmens und Mährens sein würde, entschloss er sich für einen Sieg des österreichischen Kaisertums im Feld zu kämpfen. Gatter erhielt zunächst eine kurze Ausbildung im Kriegshandwerk beim schweren Artillerie-Regiment Nr. 2 in Krakau und an der Offiziersschule der schweren Feld- und Festungsartillerie am Schießplatz in Hajmáskér. Ab dem 15. Juni 1918 nahm Gatter an der Piave-Offensive teil und lernte so noch kurz vor seinem Ende den Krieg in all seiner Grausamkeit kennen (6). An der Piave, der letzten großen Schlacht des Ersten Weltkrieges, starb die österreichisch-ungarische Armee langsam und qualvoll. 240.000 Menschen fielen oder verhungerten. Der Großangriff der Alliierten im Piavegebiet am 24. Oktober 1918 führte zum Zusammenbruch der Südwestfront der k. u. k. Armee in Venetien und letzlich zum Abschluss des Waffenstillstands von Villa Giusti bei Padua (7).

Kaum war die Donaumonarchie zerfallen, wurde am 28. Oktober 1918 in Prag der tschechoslowakische Staat proklamiert. Gatter kehrte nach seiner Ausmusterung zunächst in die böhmische Heimat zurück und leitete dort bis zur Rückkehr seines Bruders Maximilian aus der Kriegsgefangenschaft die elterliche Maschinenfabrik. Durch Inflation und hohe Rohstoffpreise zu Ende des Ersten Weltkrieges hatte das Unternehmen seine marktbeherrschende Stellung verloren und mit einem starken Auftragsrückgang zu kämpfen. Den Vater unterstützte Willibald Gatter bei der Planung von Wasserwerken, beim Bau und der Vermessung von Tiefenquellen-Wasserleitungen und der Pumpwerke, mit welchen - unserer Albwasserversorgung vergleichbar - die dortigen Bergdörfer mit fließendem Wasser versorgt wurden (8).

Mit Gründung der Tschechoslowakei wurden sudetendeutsche Beamte systematisch aus dem Staatsdienst gedrängt, deutschen Unternehmen, wie dem von Willibald Gatters Vater, wurden staatliche und kommunale Aufträge entzogen. Im März 1919 kam es zu Protestkundgebungen der deutschen Bevölkerung gegen die Zwangseingliederung in den tschechoslowakischen Staat und für ein sudetendeutsches Selbstbestimmungsrecht. Das Militär schlug den Aufstand gewaltsam nieder, 54 Deutsche starben (9). Durch die zunehmende Ausgrenzung der Deutschen konnte Willibald Gatter beruflich auf kein rechtes Fortkommen mehr hoffen und begab sich im August 1919 in die neu ausgerufene Republik Deutschösterreich. Aufgrund von Kontakten, die Gatter während des Krieges zu Austro-Daimler geknüpft hatte, konnte der damals 23-jährige schnell eine Anstellung als Automobil-Konstrukteur finden.

Austro-Daimler stand trotz der erfolgreichen Jahre des Krieges vor dem Ruin, der größte Auftraggeber, die k. u. k. Armee war weggefallen. Es galt nun wieder auf zivile Produkte umzustellen und nur die schnelle Wiederaufnahme der Automobilproduktion mit verbesserten Vorkriegsmodellen versprach Rettung. Direktor Ferdinand Porsche warb dazu fähige Ingenieure zumeist aus dem Gebiet des ehemaligen österreichisch-ungarischen Reiches an, darunter auch Willibald Gatter (10).

Neben schnellen und leichten Tourenwagen wurden nun auch große Luxusautos hergestellt mit modernen Motoren in kurvenreich gestalteten Karosserien. Gatter war hier zunächst in der Entwicklung von elektrischen Omnibussen und Benzin-Lastwagen tätig, später auch in der Konstruktion von schweren und leichten Personenwagen. Maßgeblich war er an den Entwürfen der ersten Austro-Daimler Sechszylinder-Schwingachswagen beteiligt - den Oberklassewagen AD 6-17 (1921-1924) und ADV (1924-1927) und dem zwischen 1923 und 1927 produzierten Mittelklassewagen ADM II (11). Ferdinand Porsche erkannte bald die außergewöhnliche Begabung des jungen Konstrukteurs und betraute ihn mit Spezialaufgaben, so mit den Experimenten für vierradgetriebene Lastwagen. 1921/22 konstruierte Gatter unter Porsches Anleitung mit den Ingenieuren Karl Rabe und Karl Bettaque den "Sascha", den ersten Sport-Rennwagen der Nachkriegszeit, benannt nach dem Filmpionier Alexander "Sascha" Graf Kolowrat. Mit diesen 1100-ccm- und 1500-ccm-Rennwagen, die 1922 das "Targa Florio" Langstreckenrennen auf Sizilien gewannen, fuhr Willibald Gatter Anfang der Zwanziger Jahre seine ersten Rennen (12).

Als Gastlektor gab Gatter in dieser Zeit auch Kurse zu Motoren, Getrieben und Schaltungen im Fachbereich Maschinenbau der Technischen Hochschule Wien und frequentierte die politischen Debattier- und Literatenzirkel der Wiener Boheme. Hier wurde er erstmals mit der Vision vom Auto als "Volksgut" konfrontiert - als einem nüchternen und schmucklosen Verkehrsmittel, ähnlich dem "Model T" des Amerikaners Henry Ford. Diese Ideen standen in scharfem Gegensatz zu den von Porsche gepredigten Firmenzielen Austro-Daimlers: "Sport und Prestige" - schnellen Luxuswagen mit starken Motoren für eine kleine aber betuchte Oberschicht. Gatters Entwürfe zu einem "Austro-Daimler-Volksautomobil", an welchen er 1920 und 1921 in Wiener Neustadt arbeitete, fanden bei Porsche kein Gehör, er tat sie als "unrentable Utopien" ab (13). Herb enttäuscht wandte sich Willibald Gatter im Juni 1921 der Konstruktion neuer Werkzeug- und Sondermaschinen zu und wurde 1923, als Karl Rabe Ferdinand Porsche in der technischen Gesamtleitung des Unternehmens ablöste, mit der Leitung des Werkzeugbüros und der Vorkalkulation betraut (14). Gatter sollte "durch weitere Ausbildung der Arbeitsvorbereitung und der Verbesserung der Werkseinrichtungen an der Verbilligung der Fabrikation" mitwirken (15). Dies kam Gatters Anliegen von der technischen Vereinfachung des Automobilbaus entgegen und gefördert von Rabe, vertiefte er hier seine technischen Studien zum Volksauto.

Im April 1925 wird Gatter die Leitung der Abteilung für Roh- und Fertigkontrollen übertragen (16). Aus diesen Jahren stammen auch Gatters erste Publikationen in Fachzeitschriften wie Werkstatt-Technik und Auto-Technik (17) sowie die ersten seiner uns bekannten Patente: Am 6. Februar 1923 meldet er die österreichischen Patente für eine "Kopiereinrichtung für Werkzeugmaschinen" und für die "Einrichtung zum Schneiden von ein- und mehrgängigen Gewinden auf der Drehbank" an (18).

Die finanzielle Aufsicht über das Werk in Wiener Neustadt hatte Camillo Castiglioni (1879-1957) inne, ein "Lebemann großen Stils und kaltschnäuziger Finanzhai" (19), der durch Kriegsspekulationen ein riesiges Vermögen zusammengerafft hatte. Er kontrollierte unter vielen anderen Firmen auch die Österreichische Daimler Motoren AG. Seine rein auf den persönlichen Gewinn ausgerichteten Interessen vertrugen sich nicht mit dem technischen Interessen seiner Ingenieure, eine Konstellation, der auf Dauer kein Erfolg beschieden war. So verlangte Castiglioni im Februar 1923 die sofortige Entlassung von 2000 Arbeitern und die Übergabe aller Devisen an ihn, um an der Amsterdamer Börse eine Baisse zu erzeugen (20). Direktor Porsche verließ daraufhin Österreich und ging zu Daimler nach Stuttgart. Willibald Gatter, der nach Porsches Fortgang vergeblich versucht hatte, Castiglioni für die Finanzierung der Entwicklung eines preisgünstigen Volksautomobils zu gewinnen, kehrt Anfang 1926 und sehr zu Rabes Bedauern, zurück nach Böhmen (21).

In Reichenberg (Liberec) richtet er sich im Gebäude Nr. 598 ein Konstruktionsbüro ein und mietet auf dem Gelände der ehemaligen Deutschböhmischen Ausstellung von 1906 ein größeres Werksgelände an (22). Unterstützt von einem Konsortium lokaler Finanzleute und der Reichenberger Automobil Fabrik (RAF) (23) baut Gatter ab Juli 1926 hier den ersten Prototyp seines Volksautomobils (24). Sein Vorhaben war die Schaffung eines preisgünstigen Viersitzers, der die Motorisierung breiter Volksschichten ermöglichen würde. Der Aufbau des Wagens war daher denkbar einfach gestaltet und die Stückliste enthielt neben Kühler und Tank nur 200 Einzelteile - Schrauben und Splinte eingerechnet (25). Bereits Ende des Jahres 1926 war der Prototyp des Gatter-Wagens fahrtüchtig, wie sich Gatters Jugendfreund, der spätere Prälat von Cecelice, Msgr. Dr. Hermann Schmid (1907-1994) erinnert, denn auf diesem robusten, schmucklosen Automobil bestand er damals die Prüfung zum Führerschein (26).

Nach Abschluss der konstruktiven Vorarbeiten verlegte Gatter sein Konstruktionsbüro im November 1927 nach Aussig an der Elbe, wo ihm die Georg Schicht A.G. großzügige Mittel für die Feinarbeiten und Erprobung des Wagens zur Verfügung gestellt hatte. Der Fettsäure verarbeitende Schichtkonzern betrieb damals Vorstöße in andere Wirtschaftssektoren, um seine im Seifengeschäft erwirtschafteten Überschüsse gewinnbringend anzulegen. Georg Schicht, dem die kaufmännische Leitung des Unternehmens unterlag, schien die nach dem Ersten Weltkrieg schnell aufstrebende Automobilproduktion dazu der richtige Weg. Gatter wurde als technischer Leiter der neuen Automobil-Sparte angeworben, mit dem Zugeständnis, weitgehende Freiheiten in Gestaltung und technischer Ausführung zu haben und das Auto als "Gatter Wagen" vermarkten zu können. In Aussig baute Gatter 1928 zwei weitere Probewagen rahmenloser Bauart mit Schwingachsen und einem 1 1/2 Liter Motor. Auf Testfahrten in der Tschechoslowakei, Deutschland und Österreich unterzog er sie strapaziösen Belastungsproben wobei die Automobile nach Meinung Georg Schichts "auch ganz hochgestellten Anforderungen entsprachen" (27).

In Aussig wohnte Willibald Gatter zunächst im Hotel Goldener Schwan, ab Frühjahr 1928 ist er in der Pestalozzistraße 100 im Stadtteil Schreckenstein gemeldet (28). Wie überall in Böhmen, war die Motorisierung dieser 40.000 Einwohnerstadt damals erst wenig fortgeschritten und Fiaker prägten nach wie vor das Bild. Nach einer Statistik des Polizeirayon Aussig zählte die Stadt 166 Personenwagen, 86 Lastautos, 3 Autobusse und 4 Traktoren (29). Gatter meldet zwischen 1927 und 1929 eine Anzahl von Patenten zum Gatter-Wagen in der Tschechoslowakei, dem Deutschen Reich, Frankreich, Großbritannien und den USA an, so etwa ein Patent für die "Lagerung der gabelartig ausgebildeten inneren Enden von Schwingachsen", für die "Abfederung schwingender Halbachsen" und für eine "Vorrichtung zum Schalten von Wechselgetrieben" (30).

Zum Anlass des 80-jährigen Gründungsjubiläums der Schichtwerke wurde der damals noch recht archaisch-kastenförmige Gatter-Wagen 1928 erstmals der Öffentlichkeit präsentiert (31). Von den Aussiger Bürgern wurde das Vorhaben einer heimischen Automobilproduktion mit Wohlwollen und Stolz aufgenommen. Als die Zeitschrift Motor-Kritik das Auto 1929 der Fachwelt vorstellt, weist der Wagen bereits aerodynamische Kurven auf: "Das Fahrzeug ist bis in alle Einzelheiten glänzend durchdacht", preist Chefredakteur Josef Ganz den Wagen. "So befindet sich beispielsweise der Akkumulator gut zugänglich über dem Getriebe und ist mit dem Starter durch ein ganz kurzes Kabel verbunden ... Ebenso überzeugend erfolgt der Tachometerantrieb. Gerade an solchen Einzelheiten erkennt man am leichtesten die Durcharbeitung einer Konstruktion. Die des Gatter-Wagens ist über jedes Lob erhaben. Die Durchbildung jedes einzelnen Teiles läßt das Wirken eines mit der Fertigung bis ins kleinste vertrauten Fachmanns erkennen, der jedoch darüber keineswegs das Gesamtziel aus dem Auge verliert. Es ist kaum glaublich, daß der Schöpfer des Gatter-Wagens in unserer, an zielbewußten Automobilkonstruktionen so armen Zeit nicht schon längst aus dem entlegenen Winkel seines Wirkens hervorgeholt und an eine der vielen Stellen berufen worden ist, die eines derartigen Kopfes bedürfen." (32)

Da der Wagen "in eine tiefe Lücke hineinpaßt, die der Autobau der Welt offenläßt" und dem Fahrzeugtyp sehr nahe kommt, "nach dem sich der Werktätige, Arzt, Kaufmann, Ingenieur, Geistliche sehnt", prophezeite Josef Ganz dem Gatter-Wagen "großen geschäftlichen Erfolg". Doch Josef Ganz hält auch mit Kritik am Prototyp nicht zurück. Er hält den Achtzylindermotor für zu groß und rät statt dessen zu einem 1½ Liter-Vierzylinder. Der Bequemlichkeit wegen empfiehlt Ganz, die Sitze "frei nach Bauhaus durchzubilden". Dennoch überwiegt das Lob: " ... das Bestechende am Gattertyp ist: Leichte Bauart, dabei trotzdem genügend Sitzraum und gute Straßenlage ... Sein Schöpfer hat dem Flug seiner Gedanken freie Bahn gelassen. Wenn er König wär, schalten und walten könnte, wie ihm beliebt, würde er . d i e s e n Wagen bauen lassen." (33)

Die Weltwirtschaftskrise, die 1929 auch über Böhmen hereinbrach, beendete jedoch die Pläne zur Aufnahme einer Serienproduktion. Europa versank in Arbeitslosigkeit und Inflation, die Nachfrage nach Automobilen erreichte einen Tiefststand und das Aktienkapital vieler Betriebe, so auch der Schicht A.G. verfiel. Mitte Mai 1929 veröffentlichte die Motor-Kritik noch die Pläne des Wagens und adelte ihn zum zukunftsträchtigen Modell eines "Europawagens": "Wir besitzen heute unzählige Automobiltypen - in Deutschland allein an hundert. Fragt einen aber ein Durchschnittsdeutscher danach, welcher für ihn passend wäre, kommt man in nicht geringe Verlegenheit. Zwischen ausgesprochenen Autosurrogaten und "Luxus"-Wagen mit über 20 Pfennig Kilometerkosten gibt es einfach nichts ...", schreibt Chefredakteur Josef Ganz, "diese klaffende Lücke könnte ein entsprechend durchgereifter Gatterwagen schließen" (34).

Willibald Gatter kehrte daraufhin in seine Heimatstadt Hühnerwasser zurück und arbeitete unverzagt an den Plänen für ein neues Gatter-Auto. Der Wagentyp, den es zu schaffen galt, sollte kleiner und billiger sein als sein erstes Volksauto, aber dennoch den Komfort eines Automobils besitzen und im Benzinverbrauch, der technischen Einfachheit und im Preis einem mittleren Motorrad entsprechen. Es galt völlig neue Zielgruppen zu erschließen und ein Auto für all jene zu bauen, die in der automobilen Aufbruchsstimmung bislang vergessen worden waren - allen voran die Landbevölkerung.

Wahre Kleinwagen, geschweige denn "Volksautos" gab es damals noch nicht. Zwar war der "Volkswagen" als Schlagwort, ja als Ideologie in aller Munde, doch war dies mehr Anspruch als Wirklichkeit, mehr soziotechnische Utopie als Realität. Das "Volksautomobil" stand bereits vor dem Ersten Weltkrieg für ein preiswertes Fahrzeug für breite Bevölkerungsschichten. Der Begriff war dabei allerdings keine Modellbezeichnung sondern zielte auf eine neue, unerreichte Wagenklasse (35).

Zur Schaffung eines wirklichen Volkswagens wurde die gesamte Technik der Zwischenkriegszeit jedoch noch als zu schwer, zu groß und zu teuer erachtet. Moderne Werkstoffe zur Konstruktion leichter Autos, die von einem Motor mit wenigen PS hätten angetrieben werden können, fehlten. Frühe Versuche der Zwanziger Jahre, wie etwa das deutsche "Kommissbrot" von Hanomag, der französische LR2 von Rosengart oder der englische Austin Seven wurden den in sie gesetzten Erwartungen nicht gerecht, da das Gewicht der Wagen nicht im gleichen Maß herabgesetzt werden konnte wie die Motorgröße. Ihre Fahreigenschaften waren daher eher bescheiden: schlechte Kurvenlage, schwach am Berg und ständiger Schaltzwang im Stadtverkehr, ganz zu Schweigen von den hohen Betriebs- und Anschaffungskosten. Auch hatten Insassen unter starken Erschütterungen zu leiden. Spöttisch wurde diese Wagengattung in der Fachpresse bald "kleine Großautos" oder "verkleinerte Großwagen" genannt (36). Nichtsdestotrotz ging Rosengart als "Roi de la petite Auto", als "König des Kleinwagens" in die französische Automobilgeschichte ein.

Zur Schaffung eines wahren "Volksautos", auf tschechisch "Lidovy Automobil", wie Gatters Wagen in der Firmenwerbung der frühen Dreißiger Jahre genannt wurde, musste der Konstrukteur völlig neue Wege beschreiten. Durch eine Verringerung der Einzelteile und der Ausstattung mit einem Leichtholzrahmen wurde das Wagengewicht auf 200 kg reduziert und somit ein Verhältnis von 1:1 von "Nutzlast zu Totlast", also von Wagengewicht zu Gewicht der Insassen erreicht (37). So besaßen die frühen Modelle des Wagens aus Gewichts- und Kostenerwägungen etwa auch nur einen einzelnen zentralen Scheinwerfer, ein sogenanntes "Zyklopenlicht", das dem ersten Modell sein charakteristisches Aussehen verlieh. Auch ein Rückwärtsgang war zunächst nicht vorgesehen. Wie uns ein Werbeprospekt von 1930 verrät, würde ein solcher auch nur "unnötige Komplikationen bedeuten", da die Wendigkeit des Gatter Wagens "ein Umdrehen auf normaler Straßenbreite" ermöglicht (38). Um einem so leichten Wagen aber auch gute Fahreigenschaften auf den damaligen schlechten Strassen zu geben war auch im Aufbau des Rahmens und der Achsen ein totales Umdenken erforderlich. Gatter löste dieses Problem mit Hilfe von langen, von Vorder- zu Hinterachse durchlaufenden Federn, welche die Karosserie stets parallel anhoben, im Gegensatz zu den unabhängig agierenden Federn normaler Wagen die ein Kippen der Karosserie zulassen (39).

Ende des Jahres 1929 waren die Pläne für diesen Kleinen Gatter soweit gediehen, dass sich Willibald Gatter zur Produktion entschloss. Am 22. November 1929 stellt er im nordböhmischen Reichstadt den Antrag zur Erbauung einer Fabrikationshalle und am 13. September 1930 wird ihm schließlich die gewerberechtliche Genehmigung für die "Herstellung von Kraftfahrzeugen im Gebäude N.C. 126 in Reichstadt-Vorstadt" erteilt (40). Das Autowerk Gatter-Reichstadt war geboren. Zwischen Oktober 1930 und Juni 1936 wurden hier rund 1650 Kleinwagen dieser Marke produziert (41). Heute mag diese Zahl verschwindend gering erscheinen, doch darf man die geringe Personenkraftwagendichte in der Tschechoslowakei mit kaum 90.000 Fahrzeugen bei einer Bevölkerung von 14,7 Millionen (1930) nicht außer Acht lassen (42). Auch im Deutschen Reich war der Motorisierungsgrad kaum höher - im Jahr von Hitlers Machtergreifung kamen auf 65,4 Millionen Einwohner gerade einmal 500.000 PKW; rund 80 % davon waren Geschäftswagen (43). Im Jahr 1935 besaß der Kleine Gatter in der Tschechoslowakei daher einen Marktanteil von knapp 1,4 %. In den deutsch besiedelten Gebieten des nördlichen Sudetenlandes dürfte sein Anteil deutlich über 10 % gelegen haben (44).

Da der Kleine Gatter eine Marktlücke schloss, war auch auf Seiten der Industrie das Interesse an der Vermarktung des Wagens groß. Im Oktober 1930 trat der Großindustrielle Tomáš Bata an Gatter heran und führte Verhandlungen über den Erwerb der zahlreichen Patente und einer Generallizenz zur Produktion des Wagens (45). Bata, der es innerhalb weniger Jahre vom einfachen Schumacher zum k. u. k. Heeresliferanten gebracht hatte, stieg 1930 zum Weltmarkführer in der Schuhproduktion auf. Nach der Weltwirtschaftskriese investierte das Unternehmen auch in andere Sektoren, so etwa in die Herstellung von Plastikfasern, Fahrrädern, Flugzeugen und Spielzeug. Doch Gatter stieß sich früh an den patriarchalen Zügen Batas und die Verhandlungen gerieten immer wieder ins Stocken (46). Batas nahezu absolutistische Herrschaft über seine Arbeiter in der mährischen Kleinstadt Zlin wurden in jenen Jahren auch zur Zielscheibe linker Journalisten und Intellektueller. Egon Erwin Kisch und Ilja Ehrenburg etwa prangerten Batas System als eine perfektionierte Form der Unterdrückung und Ausbeutung an (47).

Dennoch ging Gatter mit dem Industriellen eine Zweckehe ein. Als im April 1932 jedoch die Serienproduktion in Zlin beginnen sollte, kam es zum Bruch. Entgegen früherer Absprachen den Wagen "Gatter" zu nennen, bestand der Fabrikant nun auf der Benennung "Bata". Für den Konstrukteur Gatter war dieser Wortbruch nicht hinnehmbar und so kündigte er den Vetrag. Bata strebte zwar neue Verhandlungen an, blieb in der Frage der Benennung des kleinen Volksautos aber unnachgiebig. Sein Tod bei einem Flugzeugabsturz am 15. Juni 1932 setzten den Verhandlungen ein Ende.

Als Batas Interesse für die Automobil- und Reifenproduktion und insbesondere für den Kleinen Gatter 1930 bekannt geworden war, übergoss die Fachpresse den ganz offensichtlich dem Größenwahn verfallenen tschechischen Schuhkönig mit Hohn und Spott. "O Schuster, bleib bei deinen Leisten" giftelten etwa die Redakteure der Motor Kritik (48). Zwar sollte das Unternehmen durch den frühen Tod seines Gründers nie ins Automobilgeschäft einsteigen, die Produktion von Autoreifen jedoch, die ihre bescheidenen Anfänge in den Zwanziger Jahren in der Herrstellung von Schuhsohlen nahm, entwickelte sich zu einem blühenden Wirtschaftszweig. 1945 entstand daraus der Reifenhersteller Barum. Bereits vor Beginn der Verhandlungen mit Bata hatte Gatter 1930 begonnen, den Kleinen Gatter in Serie zu produzieren. Zwischen September und Dezember 1930 wurden die ersten 18 Wagen gebaut, im Folgejahr verließen bereits rund 200 Automobile die Werkshalle in Reichstadt. Ihren Höhepunkt erreichte die Produktion im Jahr 1933 mit über 600 Fahrzeugen (49).

Das "Auto zum Motorradpreis", wie der Wagen in frühen Werbeprospekten des Autowerks hieß, trug in jenen Jahren entscheidend zur Motorisierung des Bürgertums und der Landbevölkerung im Norden Böhmens bei. Mit einem Preis von nur 12.800 tschechischen Kronen (rund 1000 Reichsmark) kostete der Kleine Gatter 1930 weit unter der Hälfte des billigsten Wagens der Marke Škoda und entsprach dem halben Jahreslohn eines Arbeiters. Damit war der Kleine Gatter Europas preiswertestes Automobil (50).

Angesichts der geringen Kaufkraft der breiten Masse der Bevölkerung und den hohen Kosten der Haltung herkömmlicher Automobile lag der Schlüssel zur Schaffung eines "Volksautos" für Gatter aber nicht allein in den Anschaffungskosten, sondern vor allem auch in einer Reduzierung der Betriebs- und Wartungskosten. Im Deutschen Reich machten die Treibstoffausgaben für herkömmliche Kleinwagen Mitte der Dreißiger Jahre allein zwischen einem Drittel und der Hälfte der laufenden Kosten aus. Während die monatlichen GesamtBetriebskosten für einen Kleinwagen im Jahr 1936 zwischen 97 und 125 Reichsmark lagen, betrug das monatliche Brutto-Durchschnittseinkommen gerade einmal 149 RM (51).

Auf dem Land waren in den Dreißiger Jahren nach wie vor das Ochsengespann und das Pferdefuhrwerk die dominanten Verkehrsmittel. Um hier Kundschaft zu gewinnen, musste das Auto mit diesen konkurrieren können. Es musste äußerst genügsam im Benzinverbrauch und so leicht wie billig zu reparieren sein: mit Werkzeug, das ein jeder Handwerker oder Landwirt zu Hause besaß. Ersatzteile - wurden sie denn benötigt - mussten überall erhältlich sein.

Der Werbeprospekt zum ersten Modell von 1930 gibt daher auch ausführlich über Betrieb und Wartung des Kleinen Gatter Auskunft, um Kaufinteressenten so die Sorge vor versteckten Zusatzkosten zu nehmen: "Der kleine Gatter ist ein Wagen, dessen Anschaffungs- und Unterhaltskosten die eines billigen Motorrades nicht übersteigen und im Gegensatz zu diesem, einen angenehmen, von Wetterunbilden geschützten Transport von 2 Personen und entsprechendem Gepäck zu jeder Jahreszeit ermöglichen ... Die Wartung des Wagens beschränkt sich auf das Nachfüllen des Benzingemisches für den Motor [5 Liter auf 100 km] und das Fallweise Abschmieren von 11 Schmiernippeln und Nachfüllen von Öl ins Getriebe. Da der Zweitaktmotor weder Ventile noch Zahnräder besitzt, so ist lediglich der Zündung und dem Vergaser einige Aufmerksamkeit zuzuwenden. Die durch 2 Ventilatoren bewirkte Luftkühlung, die auch auf langen Bergen genügt, vermeidet ein weiteres unangenehmes Element der Wartung und enthebt den Fahrer von der Sorge des Einfrierens. Da die Maschine mit Ausnahme der Achsen von der Karosserie vollkommen umhüllt ist, so beschränkt sich die Reinigung vollständig auf die glatten Flächen der Karosserie. Die Instandhaltung des Wagens erscheint vor allem durch die seiner geringen Teilzahl entsprechende geringe Pannenmöglichkeit reduzieret. Seine Einfachheit macht auch den Laien sehr bald mit den wenigen Geheimnissen bekannt und gibt ihm das unschätzbare Gefühl der Vertrautheit mit seiner Maschine, die es ihm ermöglicht, kleine Unstimmigkeiten selbst zu beheben oder sie wenigstens kritisch in Preis und Ausführung zu Überwachen. In seiner Montagemöglichkeit ist der Wagen volkommen durchdacht und kann durch Lösen weniger Schrauben in seine Einzelaggregate zerlegt werden, sodaß auch diese Notwendigkeit ihren unangenehmen Ärgernissen entkleidet ist. Die Betriebskosten dieses leichten Wagens sind natürlich gering, da der kleine luftgekühlte Motor sehr wirtschaftlich arbeitet, die Bereifungskosten bei dem leichten Wagengewicht minimal sind und [da er] in Hinsicht seiner geringen Abmessungen und seiner Luftkühlung keinerlei Anspruch an die Garagierung stellt, während seine robuste und einfache Bauart die Kosten für Wartung und Instandhaltung auf ein Minimum reduziert." (52) In einem tschechischen Prospekt zum Kleinen Gatter aus dem Jahr 1931 heißt es zur Garagierung: "Das Unterstellen des Fahrzeuges ist dank des geringen Raumanspruches leicht lösbar, da man mit diesem schmalen Fahrzeug sogar durch die Haustüre hinduch fahren kann" (53).

Auch bei der Motorisierung der Frau setzte der Gatter-Wagen neue Akzente. Eine ansehnliche Zahl von besser gestellten Familien des politischen Bezirks Böhmisch Leipa, die bereits ein Auto besaßen, kauften sich einen günstigen Kleinen Gatter als Zweitwagen. Diesen nutzte sodann die Dame des Hauses oder die noch unverheirateten Töchter für ihre Einkäufe, Höflichkeitsbesuche oder Ausfahrten mit anderen Damen. Längst nicht alle Motoristen waren von dieser Entwicklung beglückt. Da das Autofahren noch weithin als männliche Prärogative angesehen wurde, sah sich Willibald Gatter bisweilen dem Vorwurf ausgesetzt, er sei für die Unsicherheit auf Böhmens Straßen verantwortlich, habe er mit seiner "Weiberkutsche" doch das ganze "Weibsvolk motorisiert" (54).

Mit seiner Vision von der Massenmotorisierung durch ein billiges "Volksauto" und durch seine progressive Kritik an der rückständigen tschechoslowakischen und deutschen Automobilindustrie mit ihren schweren, teuren Luxuswagen, machte sich Gatter mächtige Feinde in der Automobilbranche. Auf Automessen sah er sich Anfang der Dreißiger Jahre offenen Anfeindungen der großen Automobilproduzenten ausgesetzt. Diese waren in Sorge, sein erschwinglicher Volkswagen könne nicht etwa neue Käuferschichten am unteren Rand der Mittelschicht oder sogar in der Arbeiterklasse erschließen, sondern als Folge der prekären Wirtschaftslage und der sinkenden Nachfrage für teure Wagen, in unmittelbare Konkurrenz zu ihren bereits laufenden Modellen treten. Um Gatters potentielle Kundschaft zu vergrämen, sprachen industrienahe, traditionsverbundene Kommentatoren dem Kleinen Gatter in der Presse kurzerhand das Prädikat "Automobil" ab und diffamierten ihn als "Dreirad" oder "Cyclecar", womit sie ihn auf eine Stufe mit Motorrädern stellten (55).

Im benachbarten Deutschen Reich wurde die Motorisierung des Volkes mit Machtübernahme der Nationalsozialisten zur Staatsdoktrin erhoben - galt es doch zu Großbritannien, Frankreich und den USA aufzuschließen, wo die Kraftwagendichte deutlich höher lag. Für Hitler war das Automobil Ausdruck eines höheren Kulturniveaus und die Zahl der Straßenkilometer Maßstab für die "Lebenshöhe eines Volkes". Der Führer - so Jakob Werlin, Daimler-Benz-Direktor und Hitlers persönlicher kraftfahrzeugtechnischer Berater - strebe mit dem Motorisierungsgedanken danach, "dem deutschen Volke wieder diejenige Stellung in der Welt zu schaffen, auf die es nach Rasse, Charakter und Geschichte einen unabdingbaren Anspruch hat" (56).

Hitlers Rede auf der Berliner Automobilausstellung am 11. Februar 1933 und die Präsentation des Volksempfängers im Sommer des gleichen Jahres, heizten die Diskussion um ein "Volksautomobil" weiter an. Seit Anfang 1934 entwickelte sich das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda zur treibenden Kraft hinter der Volkswagenidee und stellte Überlegungen zur Förderung eines dreirädrigen Kleinstwagens mit Motorradmotor im Preisbereich von 1000 RM an (57). Eine Flut von Veröffentlichungen, Initiativen und Projekten war die Folge, darunter ein "Exposé betreffend den Bau des deutschen Volkswagens" von Gatters Weggefährten Ferdinand Porsche. Dieser votierte für ein "vollwertiges Gebrauchsfahrzeug" und trug Hitler seine Gedanken im März 1934 vor (58). Hitler, der ebenfalls einen vierrädrigen, vollwertigen Viersitzer anstrebte, machte in seiner Eröffnungsrede der Automobilausstellung am 7. März 1934 klar, wie wichtig es sei, "seinen Preis ... dem finanziellen Leistungsniveau der hierfür in Frage kommenden Millionenmasse der Käufer" anzupassen (59).

Obwohl dem Reichsverband der Automobilindustrie (RDA) früh klar wurde, dass der Preis für einen vollwertigen Wagen bei nicht weniger als 1500 RM liegen könne, hielten seine Funktionäre es für wenig opportun, diese Bedenken offen zu äußern. So hat die öffentliche Diskussion um das Volkswagenprojekt und dessen propagandistische Vermarktung durch die Nationalsozialisten einen Preis von 1000 RM festgeschrieben, der später kaum noch zu revidieren war.

Spätestens mit Hitlers Eröffnungsrede zur Automobilausstellung von 1936 wurde dieser Preis zum verhängnisvollen Versprechen, das bis Kriegsende Bestand haben sollte (60). Im Juni 1934 schloss der RDA einen ersten Vertrag mit Porsche zum Entwurf des "Volkswagens" ab und beantragte im Oktober des Jahres den Schutz dieser Bezeichnung beim Patentamt. Sehr zum Unwillen Hitlers fanden die konstruktiven Vorarbeiten erst 1936 ihren Abschluss und die Feinarbeiten sowie die Erprobung der Prototypen nahmen weitere zwei Jahre in Anspruch. Während Porsches Volkswagenprojekt nur schleppend voranging und seinen vom RDA vorgegebenen finanziellen Rahmen mit 1,75 Millionen RM völlig sprengte, blieb die Frage der Produktion weitgehend offen. Auch Überlegungen zum Export blieben diffus, "hätte doch jeder exportierte Wagen eine Subvention ausländischer Volkswirtschaften bedeutet." (61) Mit dem Ausbruch des Krieges wurden im 1938 gegründeten Volkswagenwerk anstelle des Volkswagens mit Hilfe tausender Zwangsarbeiter Flugzeugteile, VW-Kübelwagen und Wehrmachtsöfen produziert. Zur Aufnahme der Serienproduktion des VW-Käfers sollte es erst ab 1945 unter Regie der britischen Besatzer kommen.

Rückblickend war der kriegsbedingte Aufschub der Produktion des KdF-Wagens, wie der Käfer seit Mai 1938 offiziell hieß, ein Segen für das Nazi-Regime, denn der schließlich auf 990 RM festgesetzte Kaufpreis in Rahmen einer Volkswagen-Sparaktion hätte zu einem finanziellen Fiasko geführt. Unter den rund 300.000 VW-Sparern befanden sich 1942 nur 5 % Arbeiter. Stärker vertreten waren Lohnempfänger (10 %), Beamte (17 %) und Angestellte (29 %). Der überwiegende Teil der Sparverträge (rund 40 %) wurde jedoch von Betrieben abgeschlossen, die ihre Fahrzeugflotte auf das preiswerte Automobil umstellen wollten. Der Berliner Technikhistoriker Wolfgang König kommt denn auch zum Schluss, dass die Volkswagenaktion zwar die Motorisierung des Mittelstandes "geringfügig verbreitert hätte", dass Porsches KdF-Wagen aber alles andere als ein Wagen fürs Volk war (62).

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass Willibald Gatter in Tschechien heute als der wahre Erfinder des Volkswagens (Lidového Auta) gilt, da sein Kleiner Gatter wohl das erste in Serie produzierte Automobil war, das dieses Prädikat mit einem Preis von rund 1000 RM auch wirklich verdiente (63).

Ein dem Kleinen Gatter vergleichbarer Wagen kam im Deutschen Reich erst 1933 auf den Markt. Es war der von Gatters Wegbegleiter, dem Motor Kritik Chefredakteur Josef Ganz konstruierte Standard Superior, der auf der Berliner Automobilausstellung mit einem Preis von 1590 RM als "deutscher Volkswagen" beworben wurde. Der Durchschnittspreis eines Automobils lag 1933 allerdings bei rund 4200 Reichsmark, und damit beim vierfachen eines Gatter-Wagens. Die günstigsten Modelle von Mercedes und NSU lagen damals bei 4400 bis 5450 RM, dagegen waren BMW und DKW mit Preisen von 2500 bis 2700 RM fast schon als billig zu bezeichnen (64). Heute fast vergessen, war der Jude Josef Ganz (1899-1967) auch der Vordenker des VW-Käfers. Sein Prototyp "Maikäfer" von 1932, der 1933 als Standard Superior in Serie ging, sah dem 1936 fertiggestellten Prototyp des VW-Käfers verblüffend ähnlich. Nach der Berliner Automobilausstellung wurde Ganz im Januar 1934 zunächst von der Gestapo verhaftet, seiner Patentrechte beraubt und sodann ins Schweizer Exil getrieben (65). (Abb. 20) Dass sich der Gatter-Wagen innerhalb kürzester Zeit großer Popularität erfreute und auch über die Grenzen Böhmens hinaus bekannt wurde, lag jedoch nicht allein an den geringen Anschaffungs- und Betriebskosten. Auch die spektakulären Rennerfolge Gatters trugen zum guten Ruf des Autos bei. Mit seinem Kleinen Gatter gewann der Konstrukteur zahllose Preise bei den Bergrennen der Dreißiger Jahre. Seine größten Erfolge waren Goldmedaillen beim Böhmischen Bergrennen und der Riesen- und Isergebirgsfahrt, sowie Klassensiege beim Großen Bergpreis von Deutschland, der Schwarzwald Zielfahrt und der Tatra Sternfahrt (66).

Auch gegen die Granden des damaligen Rennsports anzutreten, wie Rudolf Caracciola, scheute sich Gatter nicht. Ihm ging es weniger um einen Sieg, als darum, die Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit von Kleinwagen vor einem Massenpublikum unter Beweis zu stellen, verstand er sich doch als Vorkämpfer in der Erneuerung des deutschen Automobilbaus. 1931 trat Gatter beim Großen Bergpreis von Deutschland am Schauinsland mit seinem Kleinen Gatter an, dem kleinsten Wagen des gesamten Rennens. Caracciola gewann souverän auf seinem Mercedes SSKL mit 7069 ccm und 300 PS in 8:51 Stunden und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 81,2 km/h. Gatter bewältige die 720 Kilometer lange Rennstrecke auf seinem Kleinen Gatter mit 350 ccm und 9 PS in 17:38 Stunden und einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 40,7 km/h. Mit einem elften Platz zog Gatter am 26. Juli 1931 zur Siegerehrung in Freiburg ein, sein Kleinwagen ungläubig bestaunt und bejubelt von tausenden Freiburgern. Zuvor hatte er aus Prag kommend mit einer Zeit von 18 Stunden den 5. Platz bei der Zielfahrt des Rennens belegt (67). Ein Beweis für die Wirtschaftlichkeit seiner Konstruktion war für Gatter der Umstand, dass er mit einem Motor der gerade einmal dem Zwanzigstel der Leistungsfähigkeit von Caracciolas SSKL entsprach, in der Hälfte von dessen Bestzeit und der Hälfte der Höchstgeschwindigkeit ins Ziel kam. Dabei lag der Benzinverbrauch seines Wagens auf dieser Rennstrecke (720 km) bei gerade einmal 35 Litern, während der Motor von Caracciolas SSKL weit über 200 Liter Benzin verbrannte (68).

Für den Erfolg des Autos spielte aber auch gezielte Werbung eine große Rolle. 1931 finden sich Gatter-Automobilvertretungen bereits in Komotau, Böhmisch Leipa, Gablonz, Prag und in den angrenzenden deutschen Reichsgebieten, so im bayrischen Weiden und Regensburg, und in Chemnitz und Dresden in Sachsen. Dies waren - typisch für die damalige Zeit - meist Einmannvertretungen, die auf Provisionsbasis nach Käufern suchten und Interessenten auch zuhause aufsuchte um diese auf Probefahrten mitzunehmen. Gut ausgestattete Fabrikvertretungen gab es damals nur bei großen Automobilherstellern in wenigen Großstädten. Gatter-Wagen fuhren in den Dreißiger Jahren vor allem im Dreieck Aussig, Prag, Reichenberg. Die weitaus meisten Fahrzeuge dieses Bautyps fanden sich aber im unmittelbaren Umkreis des Reichstädter Wirkungsfeldes Willibald Gatters - auf den Straßen zwischen Melnik, Böhmisch Leipa und Niemes. Für die ländliche Bevölkerung dieser Region wurde der "Kleine Gatter" bald zum Synonym für Auto schlechthin.

Bereits Ende 1931 war die erste Fabrikationshalle zu klein geworden. So erwarb Gatter im Oktober des Folgejahr die angrenzende Parzelle und errichtete hier ein Fabrikgebäude (69). Das ursprüngliche Werk wurde zur Wartungshalle für bereits laufende Gatter-Wagen umfunktioniert. Als hinderlich für eine Expansion der Produktion erwies sich jedoch das Kreditklima der damaligen Zeit. In Böhmen wirkte sich der Zusammenbruch der Banken bis Mitte 1933 auf Industriekonzerne aus, die durch die Schließung der Finanzhäuser als Konsequenz der Weltwirtschaftskrise an Kreditaufnahme und Neuinvestitionen gehindert wurden. So blieben Gatter nur private Investoren zur Finanzierung seines Projekts, was diesem jedoch enge Grenzen setzte. Financiers der Gatterwerke umfassten etwa den Reichstädter Christbaumschmuckfabrikanten Eduard Held und Helene Rösler (geb. Gatter), Inhaberin der renommierten Böhmisch Leipaer Pianofortefabrik Rösler.

Der erste Wagen des Typs Kleiner Gatter, der ab Oktober 1930 auf den Markt kam, war noch ein reines Zweckfahrzeug, dem die spätere Eleganz der Gatter-Automobile völlig fehlte. Unter der Stahlblech-Karosserie des 9-PS-Fahrzeuges befand sich ein leichtes aber stabiles Holzgerüst, das es dem kleinen Auto ermöglichte, eine Spitzengeschwindigkeit von 60 km/h zu erreichen (Mittelklassewagen der frühen Dreißiger Jahre wie etwa der Škoda 422 (1930), der Tatra 54 (1931) oder der DKW Meisterklasse 601 (1932) erreichten damals Höchstgeschwindigkeiten von rund 75 km/h (70). Der Gatter-Wagen hatte eine Länge von 2,60 Metern, war luftgekühlt mit zwei Ventilatoren, besaß einen Handstarter und bot zwei Personen mit Gepäck Platz. Das Fahrzeug verfügte über zwei Vorwärtsgänge, besaß jedoch noch keinen Rückwärtsgang. Hatten frühe Modelle einen fabrikatsfremden englischen Villiers Zweitaktmotor, so entwickelte Gatter ab 1932 eigene Motoren, die bei der Firma Julius Winkler in Warnsdorf, einer Gießerei und Armaturenfabrik, gegossen wurden (71).

Ab 1932 wurde auch die Karosserie eleganter gestaltet und die vormals steile Windschutzscheibe aerodynamisch nach hinten gekippt. Die Sitze des 1932er Modells waren mit strapazierfähigem Cordsamt bezogen, auf Wunsch konnte der Wagen noch mit einem zusätzlichen Schonbezug für Sitze und Innenwände ausgestattet werden, der mit Druckknöpfen angebracht war und so zum Waschen leicht entfernt werden konnte. Dieser Wagentyp besaß nur eine Türe, die auf der Beifahrerseite angebracht war. Die Galanterie verlangte damals schließlich eine Türe für den weiblichen Beifahrer, während sich der Fahrer selbst, sportlich aus dem Wagen schwang (72).

Modelle ab 1933 wurden dann mit einer zusätzlichen Fahrertüre ausgestattet, was dem Kundenwunsch entsprochen haben dürfte. Es wurden nun Viersitzer mit Fließheck und einem von außen zugänglichem Kofferraum produziert. Alle Modelle ab 1933 waren serienmäßig auch mit einem Rückwärtsgang ausgestattet. Dies bot nicht nur mehr Fahrkomfort denn nun musste man den Wagen nicht mehr wenden um eine kurze Wegstrecke in entgegengesetzter Richtung zurückzulegen, es bot auch mehr Sicherheit. Von nun konnten steile Straßenstücke des bergigen Nord-Böhmens bei der Vorwärtsfahrt auch im Rückwärtsgang überwunden werden, da dieser der Gang mit der kleinsten Übersetzung war und folglich mitbremste. 1933 erreichten die Gatter Wagen mit ihren nunmehr 10 PS eine Geschwindigkeit von 75 km/h (73).

Um das Gewicht des "Kleinen Gatter" zu minimieren wurde bei der Konstruktion auf äußerst leichte Materialien gesetzt. Bei jeder verarbeiteten Schraube wurde peinlich auf die Länge geachtet, denn jeder Milimeter, jedes Gramm zuviel, bedeutete auf das ganze Fahrzeug bemessen, eine beträchtiche Erhöhung des Gewichts. Willibald Gatters Bruder Maximilian, der als Karosseriebauer im Gatter'schen Autowerk arbeitete, schuf 1933 einen sportlicheren, stromlinienförmigeren Aufbau für das zarte Fahrgestell des Kleinen Gatter. Der Wagen, wenn auch anmutig im Design, erwies sich aber als äußerst schwerfällig und wollte mit seiner massiven Karosserie nicht so recht auf Touren kommen. Mit seinem leuchtend gelben Lack ging er als "gelber Blender" in die Geschichte des Autowerkes ein. Maximilian zeigte sich jedoch unbeeindruckt vom Spott seiner Brüder. An Wochenenden führte er seinen Sportwagen unbeirrt aus, denn um jungen Damen zu imponieren, taugte der Blender allemal (74).

Im Dezember 1933 berichtete die Sudetendeutsche Tageszeitung über eine Probefahrt mit Gatters Modell 34, welches sich auch in einem schwierigen Gelände bei Fahrten in den bergigen nordböhmischen Randgebieten "bestens bewährt" habe: "Auf einer Rundfahrt von Tetschen-Bodenbach auf der steilen Schneebergstraße durch Peiperz nach Kalmswiese und über Biela zurück fuhr der kleine Wagen ohne jeden Anstand und bewies damit seine außerordentliche Leistungsfähigkeit seines Motores. Auch im Äußeren macht der Wagen einen sehr vorteilhaften Eindruck. Er ist ein kleines 4-Sitzer-Kabriolett, das sich sowohl offen als auch vollkommen geschlossen fahren läßt. Durch die Verlagerung des Radstandes beim neuen Modell ist es möglich geworden, hinter den Rohrklappsesseln noch einen Hintersitz unter Dach unterzubringen. Außerdem ist von der Rückseite noch ein kleiner Kofferraum vorgesehen. Die maschinelle Ausstattung ist beim neuen Modell die gleiche wie bei großen Wagen. Elektrische Boschausrüstung, Kardanantrieb, Zahnstangenlenkung und Innnenbackenbremsen. Die leichte Zugänglichkeit und die sinnvolle Bauart der Maschine zeigen, daß hier erfahrene Fachleute am Werke sind. Die fahrtechnischen Leistungen des Gatterwagens sind durch seine vielen Zuverlässigkeitsfahrten erwiesen. Auf der Tatrasternfahrt fuhr der Wagen in 3 Tagen von Reichenberg über die steilsten Alpenpässe nach Triest und wieder hinauf in die Hohe Tatra. Der kleine Gatter ist ein ideales Fahrzeug für den Reisenden und für die kleine Familie. Der Preis von 14.800 Kronen und vor allem die geringen Instandhaltungskosten dieses leichten Wagens sowie seine einfache Bedienung machen ihn zu einem wahrhaften Volkswagen." (75)

Mitte der Dreißiger Jahre hatte sich das Gatter Autowerk in Reichstadt zahlreicher Übernahmeversuche zur erwehren, so etwa 1934 dem der sächsischen Wanderer Werke oder Anfang 1935 dem von Škoda. Der tschechische Automobilproduzent hatte 1925 die Werke von Laurin & Klement im nahen Jungbunzlau (Mladá Boleslav) übernommen und sah im Gatter Wagen eine Konkurrenz für seine im Vorjahr auf den Markt gekommenen Modelle Rapid und Popular. Ihr Fahrgestell und ihre Leistung ähnelte stark denen des Kleinen Gatter: Ein Zentralrohr, durch das die Kardanwelle lief, wurde als Rahmen verwendet, an welchem das Differenzial mit Schwing- bzw. Pendelachse hinten und das Triebwerk und die Vorderachse vorne angeschraubt waren. Dazu kam eine aufgesetzte Karosserie mit Kofferraum. Mit seinen 18 PS und einem Motor von 905 ccm brachte es der Popular auf gerade einmal 80 km/h - der Geschwindigkeit von Gatters Modell 35. Allerdings waren die Betriebskosten des Popular aufgrund seines weit größeren Motors ungleich höher. Auch lag der Preis des Škoda Wagens mit 28.400 tschechischen Kronen fast beim Doppelten des Kleinen Gatter (15.800 im Jahr 1935) (76).

In seine Reichstädter Zeit fielen auch die Anfänge von Willibald Gatters politischer Betätigung und seine ersten politischen und wirtschaftswissenschaftlichen Schriften zur Lage der Nation, die er für diverse deutschsprachige Zeitungen des Sudetenlandes verfasste. Bereits 1929 stieß er zum Reichstädter Kreis, einem Zirkel engagierter und politisierter Intellektueller, der allwöchentlich im Hause des Direktors der Reichstädter Hochschule für Forstwirtschaft, Schmid zusammentraf. In der Hoffnung auf eine Internationalisierung des Sudetenproblems richtete der Reichstädter Kreis im Jahr 1930 eine von insgesamt 24 sudetendeutschen Petitionen an den Völkerbund, die zwischen 1920 und 1931 bei diesem Organ eingingen und die Unterdrückung der deutschen Minderheit in der Tschechoslowakei anprangerten. Sie alle verhallten im Nichts. So ist es nicht verwunderlich, dass wir Gatter im Oktober 1933 als Mitstreiter Konrad Henleins auf der Gründungsveranstaltung der Sudetendeutschen Heimatfront wiederfinden.

Gatter bereist in jener Zeit das gesamte nördliche Sudetenland. Er fährt Autorennen und hält Reden und politische Vorträge, in welchen er eine sudetendeutsche Autonomie innerhalb der Tschechoslowakei fordert (77). Die auf seinen Reisen gesammelten Eindrücke zur zunehmenden Verelendung und Verarmung der deutschen Minderheit sowie der wachsenden Arbeitslosigkeit, fanden Eingang in seine 1935 in Deutsch und Tschechisch publizierte wirschaftspolitische Studie "Weg aus der Krise" (78). Willibald Gatters Onkel, der Karlsbader Kurarzt Arnold Gatter (1870-1941) kommentiert sie in einem Brief: "Deine Schrift habe ich mit Anteilnahme gelesen und so viele wertvolle Gedanken und Anregungen darin gefunden. Aber man wird fast schon müde sich mit diesen großen und schweren wichtigen Fragen der Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu befassen. In Parlamenten wird soviel gesprochen über Besserungspläne. Minister beraten und zerbrechen sich die Köpf, Diplomaten aller Länder kommen an den schönsten Orten der Welt zusammen, aber das Ergebnis ist immer ein Nichts und das Elend der Landeswirtschaft und Weltwirtschaft geht immer weiter, alles bricht zusammen, stöhnt und seufzt und muss hilflos zuschauen. Möge es Dir vielleicht gelingen eine Feder auszulösen, die die Räder der Maschine bis zum Anlaufen bringen." (79)

Die Wirtschaftskrise, welche die Tschechoslowakei in den Dreißiger Jahren zunehmend erfasste, ging auch am Autowerk Gatter nicht spurlos vorüber. Gatters wichtigste Klientel, die sudetendeutsche Mittelschicht, die am stärksten von der Krise betroffen war, verarmte rasch. Im Winter 1932/33 stellten die Sudetendeutschen zwei Drittel der 920.000 Arbeitslosen der Tschechoslowakei. Dies lag zum einen im Sprachgesetz von 1920 begründet, dessen Durchführungsverordnung "schikanöse Bedingungen" für die von deutschen Beamten abzulegende tschechische Sprachprüfung beinhaltete. Zehntausende von Deutschen verloren daraufhin ihre Posten im Staatsdienst (80). Zum anderen waren die sudetendeutschen Gebiete stärker von der Weltwirtschaftskrise betroffen, als das weniger industrialisierte tschechische Kernland. Mit dem Ausbruch der Krise brachen die Außenmärkte der mittelständischen Leichtindustrie des traditionell exportorientierten Sudetenlandes zusammen (81). So halbierten sich zwischen 1929 und 1935 das Realeinkommen in der Tschechoslowakei, während die Lebenshaltungskosten im gleichen Zeitraum lediglich um ein Sechstel sanken (82).

Selbst günstige "Volksautos" konnte sich der kleine Mann nun bald nicht mehr leisten. Aufgrund zunehmender Feindseligkeit zwischen Tschechen und Deutschen fiel Mitte der Dreißiger Jahre auch noch der tschechische Käuferkreis des Autowerks Gatter als Kunden aus. Arnold Gatters Brief an den Autokonstrukteur gibt 1935 beredt Zeugnis dieses wirtschaftlichen Niedergangs: "Ich gehöre zwar selbst auch der sudetendeutschen Heimatfront an, habe mich aber darin nicht weiter beiteiligt, weil man leider in ungeahnter Weise selbst solche Lebensschwierigkeiten und Sorgen hat, die die Grenzschwierigkeiten und Devisenhindernisse für meine Praxis und Erwerb mit sich gebracht haben. Man hat jetzt wirklich nur mit sich selbst zu tun und das in einer Zeit, wo man nach 40 jähriger Tätigkeit den Wunsch und das Verlangen hätte ruhiger und sorgloser zu leben. Wer hätte gedacht dass es so kommen würde ... Du bist mit Deinem Unternehmen auch in eine schwere Zeit geraten, die bisher nicht glückbringend sein konnte. So geht es, schöne Pläne können nicht verwirklicht werden, die Hindernisse für die noch jüngeren Leute sind so schwer zu überwinden, für die älteren zerfließt das Erwerben und wird die Ruhe des reifen Alters erschüttert." (83)

Es war jedoch auch die sich seit 1933 verstärkende Ressourcenverknappung, an Material wie an qualifizierten Arbeitskräften, welche die tschechische Automobilindustrie, und ganz besonders die Kleinwagenproduzenten vor oft unlösbare Probleme stellte. Durch die konjunkturelle Erholung im Deutschen Reich nach der Machtübernahme Hitlers sowie dessen forcierte Aufrüstung kam es bald zu Materialengpässen bei hochwertigem Stahl, Kupfer und Gummi. Viele seiner Werkstoffe bezog Gatter aus dem Reich, vor allem aus Chemnitz mit seiner großen Maschinenindustrie. Die sächsische Grenze lag ja nur knapp 20 Kilometer von Reichstadt entfernt und die wirtschaftliche Anbindung des nördlichen Sudetenlandes an Sachsen war in vieler Hinsicht enger als an das tschechische Kernland. Seit 1934 stiegen auch die Importkosten für Reifen und Bleche und ab dem Winter 1934/35 wurde die Materialverknappung in der Tschechoslowakei zur Normalität: Beim Kleinen Gatter führte dies zu bedeutenden Produktionsrückgängen und einer sich immer weiter öffnenden Schere zwischen Angebot und Nachfrage.

Kunden des Gatterwerkes mussten nun lange Lieferzeiten in Kauf nehmen. Da dies anderen Autoherstellern ähnlich erging, stiegen die Preise für Gebrauchtwagen stark an. In der Automobilindustrie der Tschechoslowakei führte die Materialverknappung auch zu einer Rationalisierung der Produktion. Typenbegrenzung und ein Rückzug vieler kapitalstarker Autohersteller aus dem Kleinwagensegment waren die Folge. Mit größeren Wagen ließen sich weiterhin hohe Gewinne erzielen, vor allem im Export (84). Da das Gatterwerk ausschließlich Kleinwagen baute und seine gesamten Fertigungsanlagen auf diese Wagenklasse spezialisiert waren, erwies sich eine Diversifikation der Produktion als äußerst schwierig. Steigende Materialkosten zwangen das Gatterwerk die Preise für seinen Wagen über die Jahre langsam anzuheben. Kostete ein Kleiner Gatter 1930 noch 12.800 Kronen, war der Preis bis 1935 auf 15.800 Kronen gestiegen (von umgerechnet rund 1000 auf 1250 Reichsmark). Der Wagen blieb freilich auch damit das billigste Automobil auf dem tschechoslowakischen und deutschen Markt (85).

Doch auch die Importbeschränkungen des Deutschen Reiches machten dem Gatterwerk zusehends zu schaffen. Ab 1931 schrieb das Reichsverkehrsministerium Behörden den Kauf von Wagen vor, bei denen drei Viertel der Wertschöpfung in Deutschland erbracht wurden. Ab 1933 setzten die Nationalsozialisten diese Politik fort und versuchten den Marktanteil von Importwagen durch Zölle, Kontingentierungen und Marktdiskriminierungen weiter zu reduzieren. So fielen bald auch die sächsischen und fränkischen Märkte für das Gatterwerk weg (86). Die Abwanderung einer Anzahl qualifizierter Techniker und Monteure ins Deutsche Reich, wo in der boomenden Rüstungs- und Automobilindustrie (87) wesentlich höhere Löhne bezahlt wurden, schwächten das Gatterwerk weiter. Eine Zeit lang konnte sich der Betrieb noch durch die Produktion von Nutzfahrzeugen, etwa kleinen Last- und Lieferwagen und der Reparatur bereits laufender Gatter-Wagen am Leben erhalten (88). Auch bemühte sich Gatter um öffentliche Aufträge zum Bau von Spezialfahrzeugen für die Eisenbahn, doch aufgrund seiner Volkszugehörigkeit und seiner politischen Aktivität konnte er von Seiten der tschechoslowakischen Regierung auf kein Entgegenkommen hoffen.

In einem Brief vom 20. März 1935 beschreibt Gatter die Lage des Autowerks und gibt seiner Hoffnung Ausdruck, dass die nahen Wahlen einen politischen Wandel zugunsten der deutschen Minderheit herbeiführen könnten: "In unserem Autobau ist es in der letzten Zeit mit neuen Wagen auch nicht besonders gegangen, da der Mittelstand auch am Ende ist. Da wir doch aber schon eine Unmenge Wagen laufen haben, so gibts ja da doch immer Arbeit mit der Instandsetzung und im Umtausch gebrauchter Wägen, sodass die Arbeit nie ganz abreisst. Augenblicklich habe ich den ersten neuen Wagen Modell 35 in Arbeit, mit dem ich dann möglicherweise nach Fertigstellung auch mal nach Eger fahren will. Ich habe mich jetzt um Staatsaufträge für viersitzige Autodräsinen für die Eisenbahn beworben. Die Konkurrenz mit 50.000 ich mit 20 Tausend [Kronen pro Stück]. Trotzdem die technische Beurteilung beim Eisenbahnminist. einwandfrei war kann ich die Auftragserteilung aus nationalen Gründen nicht erreichen. Vielleicht gelingt es mir aber nach den Wahlen auf politischem Wege, da ich durch die Heimatfront gute Verbindungen habe." (89)

Willibald Gatter engagierte sich 1935 als Wahlkämpfer und Redner der Partei, strebte jedoch selbst kein Mandat an. Mit 1,2 Millionen Stimmen und 15,2 Prozent Wähleranteil ging die Sudetendeutsche Heimatfront - umbenannt in Sudetendeutsche Partei - als stärkste Partei der Tschechoslowakei aus den Wahlen vom 19. Mai 1935 hervor. Im Abgeordnetenhaus wurde sie nach der tschechisch-republikanischen Partei der Agrarier (90) zur zweitstärksten Fraktion mit 44 der 66 deutschen Sitzen (91). Dennoch wurde die Sudetendeutsche Partei nicht an der Regierungsbildung beteiligt, wodurch sich der Eindruck unter den Sudetendeutschen verstärkte, eine Gruppe minderen Rechts zu sein. Die Deutschen stellten 1930 immerhin 22,3 % der Bevölkerung der Tschechoslowakei, in Böhmen sogar 33,4 % (92).

In der Hoffnung betrogen, die Politik könne eine Wende für die bedrängte Lage der Deutschen herbeiführen und den wirtschaftlich darniederliegenden Sudetengebieten neues Leben einhauchen, war das Autowerk Gatter im Jahr 1936 gezwungen zu schließen. Gegenüber dem Bezirksamt der Stadt Niemes begründet Gatter diesen Schritt so: "Infolge der Wirtschaftskrise wurde der Kreis der zahlungsfähigen Käufer immer geringer und meine Verluste und Aussenstände immer grösser. Mangels Kapital konnte ich die Erzeugung nicht weiter aufrecht erhalten und wurde ein Opfer der Wirtschaftskrise. Sogar kapitalkräftige Autounternehmungen wie ŠKODA und PRAGA erlitten eine starke Einbusse an ihrem Absatz, obwohl sie nicht nur Autos erzeugten, sondern auch andere Artikel. Ich bin jedoch auf die Erzeugung von Autos allein angewiesen und musste mich von vornherein an die wirtschaftlich schwächeren Kreise halten, da ich nur Kleinautos erzeugte. Umso wuchtiger trafen mich die Wirkungen der Krise." (93)

Der tschechische Historiker Miroslav Sovadina vermerkte hierzu: "In den Dreißiger Jahren waren fast alle Automobil-Kleinproduzenten gezwungen ihre Produktion einzustellen, wenngleich manche ihrer Erzeugnisse von guter technischer Qualität waren und sie oft auch fortschrittliche technische Lösungen anboten und so Lücken im Produktionsprogramm der großen Automobilwerke ausfüllen konnten. Das galt ganz besonders in der Klasse der Kleinfahrzeuge. Doch aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage konnten sie sich im harten Konkurrenzkampf mit den großen, kapitalstarken Autoproduzenten nicht behaupten. So verlief auch der Schicksalskampf des heute fast unbekannten Automobilwerkes GATTER." (94)

Ende 1936 kehrte Willibald Gatter der Tschechoslowakei den Rücken und zog ins Deutsche Reich. Hier arbeitete er zunächst in Rosslau an der Elbe bei der Firma Gebrüder Sachsenberg als Leiter der Abteilung zur Entwicklung von Schiffsmotoren. Mit Beginn des Zweiten Weltkrieges wechselte Gatter in die Rüstungsindustrie. Bei der Firma Jahns Regulatoren in Offenbach am Main, welche vor dem Krieg auf Axialkolbenpumpen für Pressen und Rudermaschinen sowie Wasserturbinenregler spezialisiert war, ist Gatter bis 1943 für die Entwicklung und Erprobung von Flugmotoren-Einspritzpumpen, Verstellpropellern und der Verbesserung der Sturzflugautomatik für Kampfflugzeuge der Firmen Heinkel und Junkers zuständig. Von April bis Dezember 1943 betreibt Willibald Gatter bei der Firma Gebrüder L'Orange in Stuttgart-Feuerbach die Weiterentwicklung des Jumo 213 A-1, eines Motors der in den Junkers Kampfbombern Ju 88 und Ju 188 sowie dem Jagdflugzeug Focke-Wulf Fw 190 D zum Einsatz kam. Hier galt es die Geräteantriebe und Ölzuführung für den Verstellpropeller so zu verändern, dass ein Motortunnel für den Einbau von Waffen, die durch die Propellernabe feuern konnten, freiblieb. Gatters Experimentalversion für den Motorkanoneneinbau ging ab Ende 1944 als Jumo 213 C-1 in Serie (95).

Auch privat hielt sich Gatter seit Ende der Dreißiger Jahre häufiger in Stuttgart auf, da seine Brüder Arthur und Arnold seit Anschluss des Sudetenlandes ans Reich hier ebenfalls in Rüstungsbetrieben tätig waren. In Stuttgart lernte Willibald Gatter 1939 auch die in Kirchheim unter Teck gebürtige Emilie Hoyler (1911-1992) kennen und heiratete sie im folgenden Jahr. Zusammen mit seinem Bruder Arnold, ebenfalls Ingenieur, meldete Willibald Gatter 1938 ein Patent für die "Luftkühlung für Ringschiebermotoren" an.

Aufgrund des Krieges wird die Patenterteilung erst im April 1941 öffentlich gemacht. Eine Erlaubnis zur Anmeldung des Patents im feindlichen Ausland wird wegen der "Kriegsrelevanz" der Erfindung nicht erteilt (96). (Abb. 29) Aufgrund der permanenten Fliegerangriffe der Alliierten auf die deutsche Flugzeugindustrie wurden wichtige Teile in den scheinbar ungefährdeten Osten evakuiert. 1944 wurde auch die junge Familie Gatter in Offenbach am Main ausgebombt, blieb aber unverletzt. Ihr Haus aber wurde durch die Explosion einer Luftmine unbewohnbar, viele Nachbarn starben.

Willibald Gatter sah im Unglück auch die Chance einer Rückkehr in die Heimat, in das nun deutsche "Protektorat Böhmen". In den von der Wehrmacht requirierten Letov-Werken in Prag arbeitete er auf Empfehlung des Reichsluftfahrtministeriums ab Januar 1944 für Junkers an der Entwicklung der Kampflugzeuge Ju 288 C und der Ju 290 (97). Doch spätestens als am 28. Februar 1945 vom Jägerstab der deutschen Wehrmacht ein "Jägernotprogramm" aufgestellt wurde, das nur noch den Bau bestimmter Flugzeugtypen zuließ, um so Kosten zu senken und wertvolle Rohstoffe zu sparen, war für Gatter klar, dass der Krieg für Deutschland verloren war. Als die sowjetische Armee im April 1945 vor Prag stand, entschloss er sich mit seiner Familie zur Flucht ins Reich.

Willibald Gatters Frau Emmy erinnert sich an jene Zeit: "Der Krieg wurde immer härter. Willy musste sonntags zu Wehrübungen. Der furchtbare Angriff auf Dresden wurde bis in Prag gehört. Wir bekamen es auch mit der Angst. Am 20. April nachmittags rief Willy an. In einer Stunde komme ein Wehrmacht-Lastzug um mich und die Kinder mitzunehmen. Ich sollte nur das Allernötigste mitnehmen, aber mein Fahrrad und das von Fritzle. Für die Kinder, vor allem für Wulf packte ich Wäsche. So ließ ich alles zurück... Die Soldaten fuhren in der Nacht. Unter Tag war das Fahren zu gefährlich und wir lagerten in einer Schule. Ich vermochte dann Milch zu erbetteln, natürlich gegen Geld um den Kindern etwas geben zu können. An einem Sonntag Morgen gelangten wir bei Furth im Walde über die Grenze ins Reich, die nächste Nacht ging es weiter bis Landshut an der Isar. Früh um 3 Uhr kam ich dort an und wurde einquartiert, das Haus war ziemlich zerbombt ... Aber man sagte gleich, daß ich am Morgen etwas anderes suchen müsse. Auch erwarte man den Einmarsch der Amerikaner und es gab keine Lebensmittelkarten mehr. Die Geschäfte waren größtenteils geplündert ... Ich fand in einer Schenke ein Zimmer, dort war der Mann auch im Felde. Ich wäre gerne weitergezogen, aber wie? Es ging kein Zug mehr. Ich meldete mich am Rathaus, bekam keinerlei Hilfe und auch keinen Passierschein. Man durfte nur im Umkreis von 5 Kilometern sich bewegen. Es wurde täglich beklemmender. Ich bekam kein Brot und auch keine anderen Lebensmittel. Nach dem Einzug der Amerikaner versuchte ich mich mit meinen Kindern doch auf den Weg zu machen. Fritzle fuhr mit dem alten Kinderrad und ich mit meinem. Wir kamen am ersten Tag bis Pfaffenhofen [Pfaffenhausen, 24 km von Landshut] und ich bat von Haus zu Haus um ein Nachtquartier. Am anderen Morgen ging es weiter, es war ein regnerischer Tag. Den Wulf hatte ich vorne auf dem Kindersitz in sein weißes Mäntelchen eingepackt. Es war der 9. Mai. Die nächsten Dinge erfuhr ich viele Tage später von Fritzle. Irgendein Fahrzeug hat mich regelrecht gerammt. Die Kinder weinten und ich lag bewußtlos und blutüberströmt im Straßengraben." (98)

Zwei schwarze amerikanische Soldaten lasen Emmy Gatter schließlich auf und fuhren sie und die Kinder in ein Krankenhaus. Der Arzt weigerte sich jedoch die Schwerverletzte aufzunehmen. Die Frau, so sagte er, würde sowieso sterben, denn sie habe einen Schädelbruch. Unter vorgehaltener Pistole zwangen die Soldaten den Arzt sie dennoch zu behandeln und drohten ihn zu erschießen, sollten sie Emmy Gatter bei ihrer Rückkehr in einigen Tagen nicht lebend antreffen. Die Kinder Wulf und Fritz quartierten die GIs in einem Waisenhaus ein und versorgten sie noch mit Kaugummis und Schokolade (99).

Am 27. April 1945, wenige Tage vor dem Prager Aufstand der unter dem Kampfruf "Smrt Nemcum!" - Tod den Deutschen! eine wahre Mordorgie lostrat, flüchtete Willy Gatter aus Prag. Er schloss sich zunächst fliehenden deutschen Soldaten an, sprang auf Züge auf, umging die Städte des Nachts zu Fuß und verbarg sich tagsüber in den Wäldern. Am 7. Mai kam er schließlich in Kirchheim unter Teck an und hoffte hier seine Frau und Kinder wiederzusehen. Zu seinem Entsetzen empfing ihn seine Schiegermutter Emilie Hoyler (100) mit den Worten "und wo ist Deine Frau?" Sich schwere Vorwürfe machend, begab sich Gatter auf die Suche in den unzähligen Auffanglagern für Flüchtlinge aus dem Sudetenland, doch ohne Erfolg. Wochen später - Emmy Gatter hatte sich langsam von ihrem schweren Unfall erholt - gelang es ihr schließlich mit der Familie in Kirchheim Kontakt aufzunehmen und heimgeholt zu werden. Mittellos fand sich die Familie nun in Württemberg, fast alles, was von Wert war, hatten sie in Prag zurücklassen müssen. Besonders schmerzhaft die vielen Erinnerungsstücke, so etwa das Familiensilber aus dem Besitz von Emmy Gatters Urgroßvater Cyriacus Schmid (1809-1898), Bürgermeister in Bissingen an der Teck oder die vergoldeten Epauletten ihres Großvaters Wilhelm Schmid (1857-1933), vom Ulanenregiment zu Ulm.

Krieg und Vertreibung haben die böhmische Familie Gatter in alle Winde zerstreut. Willibald Gatters Bruder Rudolf und die Schwester Frieda hatte das Schicksal ebenfalls nach Württemberg geführt, Arthur hatte es nach Thüringen verschlagen. Die Brüder Arnold und Fritz waren an der Ostfront gefallen. Fritzens Witwe Annel hatte sich mit ihren Kindern über die Grenze nach Bayern retten können. Maximilian aber - der später auch in Württemberg eine neue Heimat finden sollte - verließ die Tschechoslowakei erst nach Jahren schwerster Zwangsarbeit in einem tschechischen Uranbergwerk. Kirchheim kam im April 1945 unter amerikanische Militärverwaltung. Als Rüstungsingenieur wurde Gatter nach Kriegsende verhaftet und mit anderen leitenden Ingenieuren des Kreises Nürtingen zum Verhör nach Stuttgart gebracht. Nach seiner Entlastung im Entnazifizierungsverfahren wurde Willibald Gatter vom Pariser Luftfahrtministerium im Lindauer Bereich zur Konstruktion von Flugzeugmotoren angeworben. Nach einer ersten Phase wilder "exploitation" (Ausbeutung) mit einer Demontagewelle war die französische Besatzungsmacht seit Herbst 1945 "zu behutsameren Formen der Nutzbarmachung des technisch-industriellen Potentials" in ihrer Zone übergegangen (101).

Der im Juli unter französische Verwaltung gestellte oberschwäbische Raum, insbesondere die Kreise Friedrichshafen und Lindau, hatte sich in den beiden Weltkriegen zu einem Rüstungszentrum ersten Ranges entwickelt. 1945 entstanden hier Zweigwerke der französischen Flugzeugindustrie, so das Atelier Aéronautique de Rickenbach, das Centre Technique de Wasserburg und das Zentrum für Triebwerksentwicklung in Bregenz am Bodensee (Turboméca). Bis in den Sommer 1946 hinein wurden so rund 500 Fachkräfte aus darniederliegenden deutschen Flugzeugunternehmen im gesamten ehemaligen Reichsgebiet angeworben. Die Franzosen machten sich dabei die Rechtfertigung deutscher Techniker zunutze, nämlich "in ihrem primär der gesamten Menschheit dienenden Forscherdrang nur von der Kriegsmaschinerie des Dritten Reiches mißbraucht worden zu sein" (102). So kam es zur Übernahme ganzer Arbeitsgruppen deutscher Waffentechniker bei möglichst intakt belassenen dienstlichen Strukturen und großzügiger politischer Überprüfung durch die Securité Militaire (103). Unbekümmert missachteten die Franzosen damit die Bestimmungen des Potsdamer Abkommens über das Verbot der Fortführung von Rüstungsproduktion im besetzten Deutschland.

Auch eine Reihe ehemaliger Junkers-Techniker, darunter Willibald Gatter, wurde im Winter 1945/46 von den Franzosen für die Turboméca angeworben. Im ehemaligen Dornier-Werk in Bregenz-Tannenbach war Gatter Teil eines 120-köpfigen Teams von Triebwerksspezialisten unter Leitung von Fritz Nallinger, dem späteren Chefkonstrukteur von Daimler-Benz. Gatter erhielt ein Gehalt von 750 Reichsmark nebst verdoppelter Lebensmittelzuteilung und verpflichtete sich "gegenüber jeder Person, die Ihnen die Turbomeca nicht ausdrücklich für die Einweihung bezeichnet, absolutes Stillschweigen über Ihre Erfindungen als auch über alle Studien und Verwirklichungen, von denen Sie im Laufe Ihrer Tätigkeit für die Turboméca Kenntnis erhalten, zu wahren." (104) Hier arbeitete Gatter an der Entwicklung schwerer Triebwerke (Gasturbinen mit 6000 kp Schub) für das Transozean-Flugzeug Ultra Rapid/UR-1. Dieses "Huckepack"-Düsenflugzeug sollte von einem viermotorigen Trägerflugzeug in große Höhen über den Atlantik verbracht werden, um dann - ausgeklinkt - mit eigener Antriebskraft den Rest der Strecke bis nach Amerika mit Höchstgeschwindigkeit zu bewältigen.

Im April 1946 erging ein Schreiben Nallingers an die Ingenieure und informierte sie in hölzerner Sprache über die geplante Verlagerung des Zweigwerkes nach Südfrankreich: "Der Präsident unserer Gesellschaft hat bestimmt, dass die nach Frankreich vorgesehene Übersiedlung des Büros am 25.5.46 stattfinden soll. Im Auftrage des Herrn Präsidenten teile ich Ihnen mit, dass Sie für diese Übersiedlung vorgesehen sind. Die Reise findet geschlossen in einem Sonderzug statt, der außer dem gesamten Personal auch das Reisegepäck und dergl. mit sich führt. Es ist vorgesehen, dass, von der Wohnungsfrage ausgehend, vorläufig nur die Herren Ingenieure ohne ihre Familien nach dort übersiedeln, und dass dann später nach Maßgabe der Wohnungsbeschaffung die Familie nachgezogen wird. Die Unterbringung der Ingenieure geschieht in Hotels ... es ist zweckmäßig, für die Reise sich mit Reisedecken zu versehen" (105). Für die zurückbleibenden Familien sollten über französische Verbindungsoffiziere Schutzbriefe ausgestellt werden. Doch Gatter lehnte das Angebot ab und kehrte im September 1946 nach Kirchheim zurück. Vor sich selbst mochte er es rechtfertigen können auf deutschem Boden und unter deutscher Leitung für die Besatzer zu arbeiten, doch ins feindliche Frankreich zu ziehen, um dort den ehemaligen Gegner aufzurüsten, widersprach seinen Idealen. Zu unverwunden waren noch der Krieg, der Tod seiner Brüder an der Ostfront und der Verlust der böhmischen Heimat. Auch die vagen Aussagen zur Familienzusammenführung und die ungeklärten Schulverhältnisse für seine Kinder, trübten das lukrative Angebot.

Zurück in Kirchheim, richtete Gatter ein Ingenieurs- und Konstruktionsbüro ein und bemühte sich um Aufträge aus der Automobilindustrie. Er speziallisierte sich auf "Motoren und Fahrzeugbau, Sonder-Werkzeugmaschinen, hydraulische Steuerungen, Automaten und Regeltechnik" (106). Aus dieser Zeit stammen mehrere Patente Gatters für ölhydraulische Hochdruckpumpen (107). 1951 beauftragte ihn Ferry Porsche, Sohn seines im selben Jahr verstorbenen Weggefährten Ferdinand Porsche, mit der Entwicklung von Teleskopstoßdämpfern für den Porsche 356, den ersten Porsche Sportwagen, und für den sogenannten Brezelkäfer, den VW Typ 11, welcher nach dem Krieg in Serie gegangen war. Im Januar 1952 meldete Gatter dazu ein Patent zu "Steuerung des Dämpferwiderstandes von hydraulischen Teleskop-Stoßdämpfern" an (108). (Abb. 31) In den Fünfziger Jahren plante Willibald Gatter auch eine Neuauflage seines Auto-Erfolges und entwarf einen preisgünstigen Kleinstwagen. In der Kirchheimer Krebenstraße, dort wo heute die Hallen des Segelflugzeugherstellers Schempp-Hirth liegen, baute er den Prototyp des "Gatter Mini", eines Wagens mit 300 ccm Motor und von der Leistungsstärke einem Goggomobil vergleichbar. In der Region um die Teck erprobte er das Fahrzeug auf seine Leistungsfähigkeit und jagte es unzählige Male die damals noch ungeteerte Ochsenwanger Steige hinauf und wieder hinab.

Trotz hervorragender Fahreigenschaften und eines Verbrauchs von nur zweieinhalb Litern auf 100 km sollte es nie zur Serienproduktion kommen. Mit dem anbrechenden deutschen Wirtschaftswunder schwand das Interesse der Verbraucher für Klein- und Kleinstwagen, und auch zunächst erfolgreiche Modelle wie die BMW Isetta (1955-1962), Lloyd (1953-1961) und der Messerschmitt Kabinenroller (1953-1964) wurden seit Ende der Fünfziger Jahre in immer geringeren Stückzahlen produziert und schließlich ganz verdrängt. Allein das seit 1955 produzierte Goggomobil vermochte den großen Straßenkreuzern amerikanischen Stils noch bis 1969 trotzen. So wandten sich auch die Investoren, die Gatters Kleinstwagenkonzept zunächst gefördert hatten, von dem Projekt ab - darunter auch Ferry Porsche und der Stuttgarter Stoßdämpferfabrikant Herion. Gatter hatte für die Entwicklung hin zu immer größeren, schwereren Wagen und zu immer mehr Chrom und Protz nur ein Kopfschütteln übrig: "soviel Blech für ein paar Kilo Menschenfleisch." (109)

Dass der erst ab 1945 in Serie gebaute VW-Käfer diese Entwicklung überlebte, verdankt er einzig dem Umstand, dass er eigentlich nie der "Volkswagen" war, als der er schlechthin gilt. Der Käfer war nach dem Krieg mit 5000 Reichsmark weder billig in der Anschaffung, noch mit seinen 10 Litern auf 100 Kilometer sparsam im Verbrauch (ab 1946 konnte der er auf Bezugsschein gekauft werden) (110). Er war daher eigentlich immer ein Mittelklasse-Wagen gewesen und wurde in den Fünfziger und Sechziger Jahren zum Liebling der städtischen Mittelschicht.

Auch das Zeitalter der Vielfalt in der deutschen Autoindustrie ging nun zu Ende, und die Automobilbranche erfuhr eine Konzentration hin zu wenigen kapitalstarken Unternehmen. Selbst einst erfolgreiche deutsche Autobauer wie NSU, Auto Union (DKW) oder Adler fielen dieser Entwicklung zum Opfer. Erst in den letzten Jahren, geprägt von hohen Rohstoffpreisen und der Debatte vom Klimawandel, erfuhren die Klein- und Kleinstwagen - die "Cityflitzer", wie man sie gerne nennt - eine Renaissance mit Modellen wie Twingo, Ford Ka, oder KIA Picanto. Auch große Autobauer wie Daimler-Benz mit dem Smart oder BMW mit seinem Einstieg bei Rover und der Neuauflage des Mini, konnten sich diesem Trend nicht entziehen.

Seit Ende der Vierziger Jahre wandte sich Willibald Gatter wieder verstärkt politischen Aktivitäten zu. Mit der Sudetendeutschen Landsmannschaft setzte er sich aktiv für ein Rückkehrrecht der Sudetendeutschen ein und für einen Rückerhalt der deutschen Siedlungsgebiete in den Grenzen des Münchner Abkommens von 1938 (erst mit dem "Normalisierungsvertrag" zwischen der Bundesrepublik und Tschechoslowakei vom 11. Dezember 1973 sollte dieses Abkommen für nichtig erklärt werden). 1952 gehörte er zu den Gründungsmitgliedern der Liberal-Sozialistischen Partei Deutschlands, einer von zahlreichen kleinen Nachkriegsparteien. Die Partei war aus einem Netzwerk geistesverwandter Denkerinnen und Denker hervorgegangen die auf unterschiedlichen Wegen nach einer Synthese von persönlicher Freiheit und sozialer Gerechtigkeit strebten. Zu ihnen gehörten etwa Leo Tolstoi, Martin Buber, George Sand, Albert Camus, Emma Goldman, Simone Weil und Rudolf Steiner.

Nachdem ihre weitsichtigen Warnungen vor dem Kollektivismus und Führerkult totalitärer Herrschaftssysteme durch die Geschichte bestätigt worden waren, wandte sich der Liberalsozialismus im Nachkriegsdeutschland der Aufgabe zu, "die die Marktwirtschaft und Demokratie verfälschende Konzentration wirtschaftlicher und politischer Macht zu überwinden" und so einen Sonderweg zwischen westlichem Kapitalismus und östlichem Kommunismus zu finden (111). Als einer der Vordenker der Liberal-Sozialistischen Partei entwarf Gatter deren europäisches Programm für die Bundestagswahlen von 1953, in welchen er als Bundestagskandidat für den Kreis Nürtingen antrat. Unter dem Motto "Weder Kapitalismus noch Staatssozialismus" forderte das Programm weit vor Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft den Aufbau einer europäischen Verfassung, eine gemeinsame europäische Währung sowie den Abbau von Zollschranken und nahm so die Europa-Politik der Bundesrepublik teils um Jahrzehnte vorweg.

Auch eine "Europaarmee" galt es ins Leben zu rufen, die "nicht als Schutztruppe des Kapitalismus, wohl aber zur Verteidigung der demokratischen Ideale von Freiheit, Menschenwürde und Besitz" fungieren solle. "Diese muss aus den besitz- und vaterlandslosen Gesellen ... wieder freie selbstbewußte Männer machen, die in den Idealen der Gemeinschaft auch ihre eigenen verteidigen. Die Jugend die Leib und Leben für sie opfern soll, wird mit harter und fester Hand diese unabdingbaren Forderungen der Gemeinschaft gegen die maßlose Selbstsucht einer kleinen Minderheit durchsetzen müssen. Sie wird mit diesem Kampfe das Tor in eine bessere und gerechtere Welt aufbrechen." Willibald Gatter beschwor auch die Notwendigkeit eine gemeinsame euopäische Kultur zum Aufblühen zu bringen durch eine Vereinheitlichung von Maß-, Verkehrs- und Rechtswesen. "Auch durch Ausgestaltung einer zusätzlichen und vereinfachten universellen Sprache und Schrift müssen die nicht mehr vertretbaren Hindernisse einer wahren Völkerverständigung beseitigt werden, um die verwandten Völker zu gleichem Wollen und gemeinsamer Arbeit zusammen zu führen."

Dies schloss für Gatter auch die Völker des von der Sowjetunion besetzten Osteuropas ein: "Die mit Demokratie unvereinbare kommunistische Gewaltherrschaft muß durch die freiheitliche und soziale Wirtschaftsordnung und die überragende materielle und geistige Kultur des neuerstehenden einigen Europas mit friedlichen Mitteln zurückgedrängt werden, um die Europäer wieder im westlichen Kulturkreis zu vereinigen." Wichtig war Willibald Gatter aber auch die Unabhängigkeit der Denker, Forscher und Erfinder, zu denen er ja selbst gehörte. So galt es die "Ausbeutung der schöpferischen Geistesarbeit" zu beseitigen und somit die "Hauptwurzel kapitalistischer Machtkonzentration" auszureißen. Eine Neuordnung des Patent- und Urheberrechts sollte Erfindern den Weg zu "vollem Arbeitsertrag" bahnen (112). In seinem wirtschaftspolitischen Spätwerk "Weder Kapitalismus noch Kommunismus - Europas Liberal-Sozialismus" legte Gatter 1973 die Ziele und Ideale der Partei rückblickend dar (113). Ende der 1950er Jahre ging die Liberal-Sozialistischen Partei in der Freisozialen Union (FSU) auf.

Willibald Gatters wahres Vermächtnis ist jedoch sein "Auto zum Motorrad-Preis", das als preiswertestes Auto im Europa der Dreißiger Jahre Geschichte schrieb. 60 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der Vertreibung der Familie aus Böhmen, ehrte Tschechien den sudetendeutschen Ingenieur und Automobilpionier mit einer Gedenkplakette. Sie erinnert an den 80. Jahrestag der Automobilproduktion in Reichstadt und Hühnerwasser und proklamiert Gatter zu seinem 110. Geburtstag als Vater des "Lidového Auta", des wahren "Volkswagens".

Heute existiert wohl nur noch ein Gatter-Wagen. Es ist ein 1932er Viersitzer mit Rückwärtsgang und Kettenantrieb. Jiri Beran aus Ceský Dub (einst Böhmisch Aicha), ein Auto- und Motorradliebhaber, fand das Fahrzeug in den Siebziger Jahren in einer Scheune im tschechischen Jicín in einem bedauernswerten Zustand. Mit viel Zeit und Liebe richtete er es wieder her.

Dass nur einer dieser einst so beliebten Wagen überdauert haben soll, erklärt sich leicht. Während Wagen aus reichsdeutscher Produktion 1939 zu Kriegszwecken von der Wehrmacht in Böhmen beschlagnahmt wurden und im Armeebetrieb den Krieg teils überdauerten, mussten Wagen nicht-reichdeutscher Hersteller - so auch alle Wagen der Marke Gatter - nach Kriegsbeginn von ihren Besitzern aus Nordböhmen in Kolonne nach Bautzen in Sachsen gefahren werden, wo sie in einem Kraftfahrzeugpark der Wehrmacht ausgeschlachtet wurden, um Rohstoffe für Kriegszwecke zu gewinnen (114). Hier dürften auch die meisten Gatter Wagen zur Produktion von Waffen und Munition weiterverwendet worden sein.

Willibald Gatter besuchte die Tschechoslowakei auch nach Krieg und Vertreibung wieder. Um seine Heimatstadt Hühnerwasser aber, die als Bestandteil des Truppenübungsplatzes Ralsko völlig zerstört wurde, schlug er stets einen großen Bogen. So bewahrte er sich die Erinnerungen an eine unbeschwerte Kindheit in der großen alten Posthalterei am Markt und an die glücklichen Stunden bei ersten Bastel- und Konstruktionsarbeiten in der Werkstätte des Vaters. Den Anblick der Ruinen seines Elternhauses, auf denen heute - umgeben von ehemals sowjetischen Kasernengebäuden - ein billiges Fernfahrer-Motel und eine Bushaltestelle stehen, hätte er wohl nicht ertragen. Am 14. Mai 1973 starb er im Alter von 77 Jahren in Kirchheim unter Teck.

 

Fußnoten:

  1. Tschechen ehren Willibald Gatter als Erfinder des „Volkswagens“ mit einer Gedenk-Plakette, in: Der Teckbote vom 28. 12. 2006, S. 18.
  2. Franz Köhler: Heimat zwischen Jeschken, Roll und Bösig. Heimatkreis Niemes, Sudetenland, Freiberg 1986 (Kapitel "Die Familie Gatter").
  3. Michal Prášil: Skoda Heavy Guns: 24 cm Cannon, 38 cm Howitzer, 42 cm Howitzer and Gasoline-electrical Trains, Atglen/ Pennsylvania 1997.
  4. Erwin Grestenberger: K. u. k. Befestigungsanlagen in Tirol und Kärnten, Wien 2000.
  5. Arbeitszeugnis der Österreichischen Daimler-Motoren Aktiengesellschaft für Willibald Gatter vom 31. Dezember 1925 (Privatbesitz). Siehe auch: Wilhelm Elmar: Die k. u. k. Artillerie-Schießschule, in: Moderne Illustrierte Zeitung Nr. 10/11 vom 1.6.1914.
  6. Willibald Gatter: Lebenslauf, Kirchheim unter Teck 1961 (Privatbesitz).
  7. Manfred Rauchensteiner: Der Tod des Doppeladlers. Österreich-Ungarn und der Erste Weltkrieg. Graz-Wien-Köln 1993.
  8. Arbeitszeugnis von Josef Gatter für seinen Sohn Willibald vom 15. Juli 1919, bestätigt von der Fachgenossenschaft der Schlosser in Niemes (Privatbesitz).
  9. Deutsche und Tschechen (Informationen zur politischen Bildung 132), hg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, ND 1993, S. 5-6.
  10. Franz Pinczolits: Austro Daimler, Wiener Neustadt 1986.
  11. Arbeitszeugnis der Österreichischen Daimler-Motoren Aktiengesellschaft für Willibald Gatter, 31. Dez. 1925 (Privatbesitz); Werner Oswald: Deutsche Autos 1920-1945, Stuttgart 22005.
  12. Gatter: Lebenslauf (wie Anm. 6).
  13. Briefwechsel mit Msgr. Prälat Dr. Hermann Schmid (Cecelice, Tschechien) 1907-1994, v.a. Schreiben Schmids vom 5.7.1993, einem Freund und Weggefährten Gatters aus dem Reichstädter Kreis (Privatbesitz).
  14. Mit Karl Rabe (1895-1968), der bis 1965 Chefkonstrukteur der Dr. Ing. h.c. F. Porsche GmbH in Zuffenhausen war, stand Gatter bis zu dessen Tod in Verbindung. In den Fünfziger Jahren erprobte Gatter mit Rabe seine Stoßdämpferkonstruktionen für den ersten Porsche Sportwagen.
  15. Arbeitszeugnis für Willibald Gatter (wie Anm. 11).
  16. Arbeitszeugnis (wie Anm. 11).
  17. Archiv der Stadt Ceska Lipa [Böhmisch Leipa], Faszikel Autowerk Gatter, "Lebenslauf" Willibald Gatters, erstellt durch den tschechischen Historiker Miroslav Sovadina.
  18. Österreichisches Patentamt, Klasse 67 a, Patentschriften Nr. 97881 und 97882. Beide Patente wurden am 6.2.1923 angemeldet und am 25.9.1924 ausgegeben.
  19. Peter Patzak, Dieter Stiefel: Camillo Castiglioni oder die Moral der Haifische. Studio Film Production Company, Dokumentarfilm von 1988.
  20. Hans Seper, Martin Pfundner, Hans Peter Lenz: Österreichische Automobilgeschichte, Klosterneuburg 21999; Felix Pinner: Deutsche Wirtschaftsführer, Berlin 1924, S. 217ff.
  21. Briefwechsel Prälat Schmid (wie Anm. 13).
  22. Stadt Reichenberg, Unterlagen des Einwohnermeldeamtes, Meldeblätter 1926/1927, Buchstabe G.
  23. Die 1907 gegründete "Reichenberger Automobil Fabrik" hatte vor dem Ersten Weltkrieg eine Reihe von teuren Wagen in kleinen Serien hergestellt. Kurz vor ihrem Bankrott fusionierte sie 1912 mit dem Autohersteller Laurin & Klement. Am 27. Juni 1925 erfolgte der Verkauf dieses Unternehmens an den Škoda Konzern.
  24. Arbeitszeugnis der Georg Schicht AG in Aussig an der Elbe für Willibald Gatter vom 20. Dez. 1929 (Privatbesitz).
  25. Josef Ganz: Das Modell zum Europa-Wagen ist da! In: Motor Kritik 9 (1929), Nr. 1, S. 16.
  26. Gespräch mit mit Msgr. Prälat Dr. Hermann Schmid am 28. August 1993 in Cecelice, Tschechien. 1929 übergab Gatter einen der drei Prototypen seinem Freund Schmid, der ihn bis zu desser Requirierung durch die Wehrmacht im Jahr 1939 fuhr.
  27. Arbeitszeugnis der Georg Schicht AG (wie Anm. 24) und Briefwechsel Prälat Schmid (wie Anm. 13).
  28. Stadt Aussig, Unterlagen des Einwohnermeldeamtes, Meldeblätter 1927/1928, Buchstabe G.
  29. Walter Simon: Die Wirtschaft in Aussig und im Bezirke Aussig, 4. Teil (Heimatkunde des Bezirkes Aussig Heft 8, 1933), S. 84.
  30. Z.B. Deutsches Reich, Reichspatentamt, Nr. 476636, Klasse 63c, Gruppe 38, G73044 II/63c, Tag der Bekanntmachung über die Erteilung des Patents: 2 Mai 1929, Willibald Gatter in Schreckenstein bei Aussig, Tschechoslowakische Republik, Lagerung der gabelatig ausgebildeten inneren Enden von Schwingachsen, insbesondere bei Kraftfahrzeugen.
  31. Franz Josef Umlauft: Geschichte der deutschen Stadt Aussig. Eine Zusammenfassende Darstellung von der Stadtgründung bis zur Vertreibung der Deutschen, München 21960, S. 472, 565f.
  32. Ganz: Europawagen (wie Anm. 25), S. 14-16.
  33. Josef Ganz: Wer stopft das Leck? In: Motor Kritik 9 (1929), S. 191-192.
  34. Ganz: Wer stopft das Leck? (wie Anm. 33), S. 193.
  35. Wolfgang König: Volkswagen, Volksempfänger, Volksgemeinschaft - "Volksprodukte" im Dritten Reich: vom Scheitern einer nationalsozialistischen Konsumgesellschaft, Paderborn 2004, S. 155.
  36. Motor Kritik 9 (1929), Nr. 1, S. 12-13 ("Kleinwagen - nicht Miniatur-Auto").
  37. Autowerk Gatter in Reichstadt, Nordböhmen. Werbebroschüre zum "Kleinen Gatter" von 1930 (Privatbesitz).
  38. Autowerk Gatter 1930 (wie Anm. 37).
  39. Autowerk Gatter 1930 (wie Anm. 37).
  40. Archiv der Stadt Ceska Lipa [Böhmisch Leipa], Faszikel Autowerk Gatter: 22.11.1929 "Antrag auf Abverkauf"; 2.12.1929 "Baukomissionelle Begehung/Protokoll der Begehung"; 7.12.1929 "Erteilung der Baubewilligung" (E. Nr. 1159) 26.3.1930; "Geometrischer Situationsplan des Ingenieurs Karl Röhrich"; 16.5.1930 "Protokoll der Gemeindeausschußsitzung"; 26. März 1930 "Teilungs- und Flächenausweis zum Situationsplane Exh. Nr. 526"; 28.3.1931 "Stadtamt Reichstadt, Kollaudierung"; 1.8.1930 "Bezirksbehörde Böhmisch Leipa, Komissionelle Verhandlung" und 13.9.1930 "Bezirksbehörde Böhmisch Leipa an Vilém-Wilhelm Gatter".
  41. Aufzeichnungen Willibald Gatters von 1937 ("Produzierte Stückzahlen") (Privatbesitz).
  42. Kurt Wenzel: Personenautos 1905-1945 aus Stadt und Bezirk Gablonz an der Neiße, Sudetenland, o.O. 21993; Deutsche und Tschechen (wie Anm. 9), S. 5 (Tabelle).
  43. Paul Schilperoord: Wie der VW-Käfer wirklich entstand, in: Technology Review, Heft November 2005, S. 84; König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 151-153; Statistisches Reichsamt (Hg.): Statistisches Jahrbuch für das Deutsche Reich, 1919-1941/42, Volkszählung vom 16. Juni 1933.
  44. Nach Angaben des Deutschen Museums, München (zitiert in Wenzel (wie Anm. 42), S. 9) kamen im Jahr 1935 in der Tschechoslowakei 129 Personen auf einen PKW, das entsprach einem Gesamtbestand des Landes von rund 120.000 PKWs.
  45. Motor Kritik, Anfang Okt. 1930, Nr. 19, S. 422.
  46. Briefwechsel Prälat Schmid (wie Anm. 13).
  47. Egon Erwin Kisch: Schuhwerk, in: Prager Pitaval - Späte Reportagen. Gesammelte Werke in Einzelausgaben II/2, Berlin-Weimar 1969, S. 415-428; Ilja Ehrenburg, Der Schuhkönig Thomas Bata, in: Das Tagebuch 12 (1931), Dezemberausgabe. Vgl. auch Rudolph Philipp: Die Stiefel der Diktatur, Zürich 1936.
  48. Motor Kritik, Anfang Okt. 1930, Nr. 19, S. 422.
  49. Produzierte Stückzahlen des "Kleinen Gatter" betrugen 1930 (18 Wagen), 1931 (203), 1932 (479), 1933 (631), 1934 (224), 1935 (87) und 1936 (21 Wagen). Vom "Europawagen" wurden zwischen 1926-1929 drei Prototypen gebaut. Quelle: Aufzeichnungen Willibald Gatters von 1937 - "Produzierte Stückzahlen" (Privatbesitz).
  50. Wenzel: Personenautos (wie Anm. 42); Werbeprospekt Gatter (wie Am. 37) sowie Motor Kritik (wie Anm. 48). 1930 betrug das durchschnittliche jährliche Bruttoeinkommen im Deutschen Reich 2074 RM, Statistisches Bundesamt: Durchschnittliches Bruttoarbeitsentgelt je Privathaushalt. Überblick seit 1910. Pressemitteilung Nr. 496 vom 27. Nov. 2006.
  51. König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 182-183 und Statistisches Bundesamt: Durchschnittliches Bruttoarbeitsentgelt je Privathaushalt. Überblick seit 1910. Pressemitteilung Nr. 496 vom 27. Nov. 2006.
  52. Autowerk Gatter (wie Anm. 37).
  53. Autowerk Gatter in Reichstadt, Nordböhmen. Tschechische Werbebroschüre zum "Kleinen Gatter" von 1931 (Privatbesitz).
  54. Briefwechsel Prälat Schmid (wie Anm. 13).
  55. Gespräch mit mit Msgr. Prälat Dr. Hermann Schmid am 28.8.1993 in Cecelice, Tschechien. Siehe auch Motor Kritik (wie Anm. 48).
  56. König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 152.
  57. Hans Mommsen, Manfred Grieger: Das Volkswagenwerk und seine Arbeiter im Dritten Reich, Düsseldorf 1996, S. 58ff; König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 151, 155-157.
  58. König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 157, 160.
  59. Der Angriff vom 8. 3.1934, S. 1 ("Der billige Volkswagen für Millionen kommt").
  60. König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 160-161, 172.
  61. König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 165, 174.
  62. König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 180-181.
  63. Der nordböhmische Tourismusverband widmete dem Konstrukteur im Dezember 2006 anlässlich seines 110. Geburtstags und dem 80. Jahrestages der Gatter Automobilproduktion eine Gedenkplakette.
  64. Motor Kritik, März 1933, Nr. 5, S. 136-137 (Preise auf der Berliner Ausstellung, Fritz Wittekind, Berlin).
  65. Schilperoord (wie Anm. 43), S. 85. Erst im November 1935 kam mit dem Opel P4 ein weiterer günstiger Wagen auf den deutschen Markt, dessen Preis im September 1936 von 1650 auf 1450 RM herabgesetzt wurde. Doch schon 1937 fuhr Opel die Produktion zurück und nahm den Wagen im Folgejahr aufgrund von Werkstoffkontingentierungen vom Markt, König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 153, 165.
  66. Sudetendeutsche Tageszeitung vom 10.12.1933 ("Kraftfahrwesen - Der kleine Gatter"); Breisgauer Zeitung 173 vom 28.7.1931 ("Rückschau auf den Renntag" und "Die Strahlenfahrt"); Süddeutsches Sportblatt, Wochenbeilage der Freiburger Zeitung, 30/202 vom 27.7.1931 ("Schauinsland Bergrennen 1931"); Werbeprospekt des Autowerks Gatter - Reichstadt von 1932 (Privatbesitz).
  67. Süddeutsches Sportblatt, Wochenbeilage der Freiburger Zeitung, Nr. 30/202 vom 27. Juli 1931 ("Schauinsland Bergrennen 1931") und Breisgauer Zeitung Nr. 173 vom 28. Juli 1931 ("Rückschau auf den Renntag" und "Die Strahlenfahrt").
  68. Der Verbrauch des "Kleinen Gatter" lag laut Werbeprospekten von 1931 bei 5 Litern auf 100 Kilometer. Der des SSKL lag bei rund 30 Litern (vgl. dazu: Halwart Schrader: Mercedes Kompressorwagen, München-Wien- Zürich 1979). Der SSKL, Abkürzung für "Supersport kurz leicht", war 1929 aus dem Sport-Zweisitzer SSK-WS06 entstanden und wurde in nur drei bis fünf Exemplaren gebaut. Um die Dominanz der Mercedes SSK gegen die aufkommende Konkurrenz seitens Alfa Romeo und Bugatti nicht in Frage zu stellen, verringerten Mercedes-Ingenieure das Gewicht des SSK um ca. 125 kg durch große Bohrungen am Rahmen und an den Holmen, welche dem Fahrzeug sein charakteristisches Aussehen verliehen.
  69. Archiv der Stadt Ceska Lipa [Böhmisch Leipa], Faszikel Autowerk Gatter: 16.6.1932 Protokoll der Staatsgutsverwaltung über beabsichtigten Ankaufes der Grundstücksparzelle K.Z. 1884 durch Willibald Gatter; 20.09.1932 Bürgermeisteramt ersucht bei der Stadtvertretung in Reichstadt zum Abverkauf der Grundparzelle K.Zl. 1884/2 an Ing. Willy Gatter für Industriezwecke; 26.9.1932 Oberrat der polit. Verwaltung von Böhm.-Leipa genehmigt Abverkauf; 1.10.1932 Kaufvertrag zwischen Willy Gatter und Stadtgemeinde Reichstadt über die Grundparzelle K.Zl. 1884/2; 29.10.1932 Vollziehung des Kaufbeschlusses vom 24.10.1932 (c.d.1524/32) durch das Bezirksgericht Nimes unter Einlagezahl 66.590 im Grundbuch-Reichstadt.
  70. Škoda Auto a.s.: Škoda - Bewegte Geschichte seit über 100 Jahren, Miltenberg-Frankfurt 2006; Oswald: Deutsche Autos (wie Anm. 11).
  71. Werbeprospekte des Autowerks Gatter - Reichstadt von 1930-1932 (Privatbesitz).
  72. Werbeprospekt des Autowerks Gatter - Reichstadt von 1932 (Privatbesitz).
  73. Werbeprospekte des Autowerks Gatter - Reichstadt von 1932-1933 (Privatbesitz).
  74. Lebenserinnerungen von Wulf Gatter (geboren 1943).
  75. Sudetendeutsche Tageszeitung (wie Anm. 66).
  76. Wenzel: Personenautos (wie Anm. 42); Autowerk Gatter, Reichstadt in Nordböhmen, Prospekt zum Modell 35 des "Kleinen Gatter" (Privatbesitz).
  77. Briefwechsel Prälat Schmid (wie Anm. 13).
  78. Willy Gatter: Weg aus der Krise, Eger 1935.
  79. Brief von Dr. med. Arnold Gatter (Karlsbad) an Willy Gatter vom 9. April 1935 (Privatbesitz).
  80. Deutsche und Tschechen (wie Anm. 9), S. 7.
  81. Alena Mípiková, Dieter Segert: Republik unter Druck, in: Tschechien (Informationen zur politischen Bildung 276) 2002.
  82. Jirí Kosta: Die tschechoslowakische Wirtschaft im ersten Jahrzehnt nach der Staatsgründung, in: Hans Lemberg und Peter Heumos (Hg.): Das Jahr 1919 in der Tschechoslowakei und Ostmitteleuropa (Bad Wiesseer Tagungen des Collegium Carolinum 17), München 1993, S. 72 (Abb. 3).
  83. Brief von Dr. med. Arnold Gatter (Karlsbad) an Willy Gatter vom 9.4.1935 (Privatbesitz).
  84. Vgl. hierzu König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 152-154.
  85. Diverse Werbeprospekte des Autowerks Gatter - Reichstadt zwischen 1930 und 1935. Vgl. auch König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 153 (ein kostengünstigerer Wagen als der 1933 auf den Markt gekommene Standard Superior von Josef Ganz (1590 RM) wurde erst 1937 mit dem P4 von Opel angeboten (1450 RM). Allerdings gab es bereits 1933 dreirädrige Kleinstwagen wie den zweisitzigen Piccolo der Framo-Werke (850 RM) der jedoch nicht als vollwertiges Fahrzeug galt und von der Fachpresse als "unzulänglich" bezeichnet wurde, vgl. König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 153, 156.
  86. Siehe z. B. König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 153.
  87. Zwischen 1933 und 1939 verdreifachte sich im Deutschen Reich der PKW-Bestand, König: Volkswagen (wie Anm. 35), S. 153.
  88. Archiv der Stadt Ceska Lipa [Böhmisch Leipa], Faszikel Autowerk Gatter: Brief Gatters an das Stadtamt Reichstadt vom 9.11.1934: "…In meinem gewohnten Kundenkreis kann ich derzeit nur alte Wagen absetzen; entsprechend dieser Erfahrung bemühe ich mich jetzt mein Programm auch auf Nutz- und Lieferwagen zu erweitern und ich habe begründete Hoffnung nächstes Jahr auch Aufträge auf einem anderen Gebiet zu erhalten. Ich hoffe auf dieser Basis meinen Betrieb dann wieder in Gang zu bringen… Ich habe in den vergangenen Jahren unser beträchtliches Vermögen in die kostspielige Versuchsentwicklung meines Fabrikats gesteckt, wo es jetzt natürlich bis auf weiteres festgefahren ist."
  89. Brief Willibald Gatters an seinen Onkel Dr. med. Arnold Gatter (Karlsbad) vom 20. März 1935 (Privatbesitz).
  90. Die Agrarier waren ein unter verschiedenen Namen angetretener Bund, auch Agrarpartei oder Partei des tschechischen Landvolkes genannt.
  91. Deutsche und Tschechen (wie Anm. 9), S. 5, 7; Mípiková: Republik (wie Anm. 81).
  92. Deutsche und Tschechen (wie Anm. 9), S. 5, 7; Mípiková: Republik (wie Anm. 81).
  93. Archiv der Stadt Ceska Lipa [Böhmisch Leipa], Faszikel Autowerk Gatter: Brief Willibald Gatters an das Bezirksamt Niemes vom 1.9.1936.
  94. Miroslav Sovadina, in: Kreiszeitung Pruboj vom 10. 12.1982.
  95. Gatter, Lebenslauf (wie Anm. 6); Morten Jessen: Focke-Wulf 190: The Birth of the Butcher Bird 1939-1943, London 1998; Luftfahrt Archiv: Junkers Jumo 213 A-1, C-0 Flugmotor Technisches Kompendium, 2006 (CD-Rom).
  96. Reichspatentamt: Patentschrift Nr. 704577, Klasse 46c4, Gruppe I, G 99140, Ia/46c4, ausgegeben am 2. April 1941 und Brief des Reichspatentamtes (Berlin) an Willibald Gatter (Offenbach) vom 24. Januar 1940.
  97. Brief des Reichsluftfahrtministeriums an Willibald Gatter vom 31. Mai 1944 und Gatter: Lebenslauf (wie Anm. 6).
  98. Emilie Gatter, geborene Hoyler (1911-1991): Lebenserinnerungen, handschriftliches Manuskript (Privatbesitz), S. 23-26.
  99. Lebenserinnerungen ihres Sohnes Wulf Gatter (geboren 1943).
  100. Eine geborene Schmid aus Bissingen an der Teck (1884-1966). Sie heiratete 1909 den gebürtigen Kirchheimer Karl Hermann Hoyler (1877-1940).
  101. Gerhard Hetzer: Unternehmer und leitende Angestellte zwischen Rüstungseinsatz und politischer Säuberung, in: Martin Broszat u.a.: Von Stalingrad zur Währungsreform, München 1988, S. 584.
  102. Hetzer: Unternehmer (wie Anm. 101), S. 585.
  103. Ulrich Albrecht: Rüstungsfragen im deutsch-französischen Verhältnis, in: Wilfried Engler (Hg.): Frankreich an der Freien Universität, Stuttgart 1997, S. 102.
  104. Dienstvertrag Willy Gatters mit der Turboméca Lindau-Bad Schachen, Etablissement de la Zone Française de l'Occupation, 18.3.1946 (Privatbesitz).
  105. Brief von Turboméca Chefingenieur Fritz Nallinger (Bregenz) vom 11.4.1946 an Willy Gatter (Lindau) (Privtabesitz).
  106. Briefkopf Willibald Gatters aus dem Jahr 1947 (Privatbesitz).
  107. Deutsches Patentamt, Patentschrift Nr. 861204, Klasse 59 a, Gruppe 15, G5Ia/59a, patentiert am 2.10.1949, ausgegeben am 29. Dez. 1952 ("Pumpe") und Nr. 866464, Klasse 59a, Gruppe 15, G4651Ia/59a, patentiert am 1.9.1950, ausgegeben am 9.2.1953 ("Pumpe").
  108. Deutsches Patentamt, Patentschrift Nr. 940033, Klasse 63 c, Gruppe 42, G7865 II/63 c, Anmeldung am 3.1.1952, ausgegeben am 8.3.1956.
  109. Lebenserinnerungen seines Sohnes Wulf Gatter (geboren 1943).
  110. Rüdiger Etzold: Der Käfer - Eine Dokumentation. Band 1, Motorbuch Verlag, Stuttgart 1983, S. 8 (Durch die KdF-Sparaktion waren bis Kriegsbeginn 278 Millionen RM zusammengekommen. Da aber in den Kriegsjahren statt der versprochenen zivilen KdF-Wagen etwa 65.000 Kübel- und Schwimmwagen für die Wehrmacht produziert wurden, fühlten sich viele Sparer betrogen. Erst 1961 schloss das VW-Werk einen Vergleich mit den Klägern und räumte Sparern mit einem vollgeklebtem KdF-Sparbuch einen Rabatt von 600 DM auf einen VW-Käfer Neuwagen ein - knapp ein Sechstel des Neupreises der preiswertesten Version (4000 DM)).
  111. Günter Bartsch: Freiheit und Gerechtigkeit. Enzyklopädie des Liberalsozialismus, Kiel 2006.
  112. Willy Gatter: Europäisches Programm der Liberal-Sozialistischen Partei, Kirchheim unter Teck 1953 (Privatbesitz).
  113. Willy Gatter: Weder Kapitalismus noch Kommunismus - Europas Liberal-Sozialismus, Kirchheim unter Teck (im Selbstverlag) 1973.
  114. Wenzel: Personenautos (wie Anm. 42).